Lexikon der Neurowissenschaft: fatale familiäre Insomnie
fatale familiäre Insomnie, Abk. FFI, E fatal familial insomnia, die wahrscheinlich dritthäufigste vererbbare Prion-Krankheit; eine spongiforme Encephalopathie, die nach zunehmender Schlaflosigkeit, Halluzinationen und Entgleisungen des vegetativen Nervensystems schließlich zum Tod führt. Forschergruppen aus Bologna und Cleveland beschrieben dieses Krankheitsbild erstmals in Zusammenhang mit der Untersuchung einer großen norditalienischen Verwandtschaft von 29 Betroffenen unter insgesamt 288 Familienmitgliedern. Das gemeinsame klinische Hauptmerkmal der Patienten war deren Schlaflosigkeit, die im fünften bis sechsten Lebensjahrzehnt auftrat. Die FFI ist dominant vererbt und zeigt spezifische Mutationen im Prion-Protein-Gen, welche für die Krankheit prädisponieren. So ist die Mutation D178N (Asparaginsäure zu Asparagin), assoziiert mit einem Methionin bei Codon 129 (M129), eng mit der Pathogenese verknüpft. Das ungefähre Alter bei Auftreten der Erkrankung liegt zwischen 35 und 60 Jahren. Sie schreitet relativ rasch fort und führt innerhalb von einem halben bis zu maximal drei Jahren zum Tod. Anfängliche Störungen des circadianen Rhythmus gehen mehr und mehr in eine eigentliche Schlaflosigkeit über. Begleitet wird dieses Hauptsymptom von Halluzinationen, später Stupor und Koma. Auch kommen Störungen des Hormonsystems und des vegetativen Nervensystems wie erhöhter Blutdruck, Fieber, Myoklonien, Sprachstörungen und Pyramidenzeichen dazu. Im Frühstadium sind die kognitiven Fähigkeiten nur wenig beeinträchtigt. Patienten, die homozygot für M129 sind, zeigen – verglichen mit den heterozygoten Patienten – einen kürzeren Verlauf (ein halbes bis maximal eineinhalb Jahre). Histopathologisch zeigt sich eine selektive Atrophie der anterioventralen und dorsomedialen Thalamuskerne sowie der unteren Oliven mit starkem Neuronenverlust bei fast fehlender Spongiose. Die betroffenen Regionen des Thalamus verknüpfen limbische und paralimbische Regionen des Cortex sowie subcorticale Strukturen (Hypothalamus) untereinander. Der limbische Thalamus hat eine strategisch wichtige Position im zentralen autonomen Netzwerk: Von den limbischen Regionen der Großhirnrinde bis hin zum Hirnstamm wird durch seine integrativen Funktionen die Körperhomöostase aufrecht erhalten. Dieser Umstand macht sich in den charakteristischen klinischen Manifestationen deutlich. Die Ablagerungen von PrP-Plaques, die bei anderen Prionenerkrankungen typischerweise vorkommen, sind bei der FFI nur wenig ausgeprägt und können auch fehlen. Die Diagnose geschieht aufgrund klinischer Befunde, Elektroencephalogramm und eventuell Positronenemissionstomographie (reduzierter Glucose-Stoffwechsel im Thalamus und Hypometabolismus des Gyrus cinguli). Differentialdiagnostisch kommen andere Prionenerkrankungen, psychische Krankheiten oder auch cerebelläre Ataxien usw. in Frage. Eine Therapie ist, wie bei allen anderen Erkrankungen des Formenkreises der spongiformen Encephalopathien, nicht bekannt.
A.A./G.H.
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