Lexikon der Neurowissenschaft: glatte Muskulatur
glatte Muskulaturw,Esmooth musculature, bei Wirbeltieren unwillkürliche (nicht vom Willen gesteuerte; Willkürmotorik), in der Regel in Schichten unterschiedlicher Streichrichtung angeordnete Muskulatur aller inneren Organe, wie Darm, Gefäßwände, Harn- und Genitaltrakt. Anders als die quergestreifte Skelettmuskulatur (Muskulatur) besteht glatte Muskulatur aus kleinen (20-500 μm), stets einkernigen Einzelzellen. Diese sind in der Regel spindelförmig, seltener (etwa in der Wand der Harnblase) sternförmig verzweigt. Glatte Muskelzellen sind plasmareich. Die funktionelle Ordnung des kontraktilen Systems aus vornehmlich Actinfilamenten und Myosin-II-Filamenten ist bisher noch nicht völlig aufgeklärt. Die Actinfilamente sind als lockere Bündel in sog. dense plaques allenthalben in der Zell-Membran verankert und an ihren freien Enden in dense bodies über Hilfsproteine wie Desmin und α-Actinin (vgl. Z-Streifen der quergestreiften Muskulatur) miteinander vernetzt. Wie in kontraktilen Nichtmuskelzellen wird die Kontraktion ausgelöst durch den Einstrom von Ca2+-Ionen (Calcium) ins Cytoplasma und die darauf folgende Phosphorylierung der leichten Ketten im Myosinkopf über eine Calmodulin-abhängige Myosin-Kinase (Calmodulin); sie erfolgt infolgedessen deutlich langsamer als bei quergestreifter Muskulatur (Kontraktionsgeschwindigkeit ca. 1 Sekunde gegenüber wenigen Millisekunden in einer Skelettmuskelfaser). Glatte Muskelzellen zeichnen sich durch einen extrem hohen Verkürzungsgrad (Harnblasen- und Uterusmuskulatur) und geringe Ermüdbarkeit (Darmmuskulatur) aus. Wenngleich glatte Muskelschichten durchaus einer unmittelbaren nervösen Steuerung durch das vegetative Nervensystem unterliegen können, ist die einzelne glatte Muskelzelle nie innerviert, sondern empfängt ihre Erregungssignale auf hormonalem Wege (cholinerg oder adrenerg). In Verbindung damit stehen vermutlich zahllose, für das Plasmalemma glatter Muskelzellen typische Membraneinstülpungen und Endocytosevesikel (Endocytose). – Bei der häufig als glatte Muskulatur bezeichneten Muskulatur der meisten Wirbellosen handelt es sich in der Regel um verschiedene Ausprägungsformen schräggestreifter Muskulatur (helikoidale Muskulatur). Diese entspricht in Feinbau und Funktionsweise jedoch eher einer ursprünglicheren, weniger hoch geordneten Form quergestreifter Muskulatur. Eine hochspezialisierte Sonderform glatter Muskulatur dagegen stellt die tonische Muskulatur der Schalenschließmuskeln bei Muscheln dar. Ohne jede Ermüdung vermag sie die Schalenklappen der Tiere über lange Zeit mit hoher Kraft geschlossen zu halten, da ein für diesen Muskeltyp charakteristisches Hilfsprotein, das Paramyosin, die Actomyosinbindung im Kontraktionszustand bei minimalem Energieverbrauch zu fixieren in der Lage ist.
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