Lexikon der Neurowissenschaft: Gleichgewichtsorgan
Gleichgewichtsorgan s, Gleichgewichtssinnesorgan, Vestibularorgan, Vestibularapparat, Evestibular organ, bei den meisten Tieren und beim Menschen vorhandenes Sinnesorgan, das der Wahrnehmung der Lage des Körpers im Raum dient. Die Gleichgewichtsorgane der Wirbellosen sind in der Regel Statocysten, runde bis ovale, mit Flüssigkeit gefüllte Blasen, in denen sich ein einzelner schwerer Körper (Statolith, "Schwerestein") oder mehrere kleinere (Statoconien) befinden ( siehe Abb. 1 ). Diese können in der Statocyste frei beweglich oder mit Sinneshaaren (Schwererezeptoren, Statorezeptoren, Gravirezeptoren) verwachsen sein. Bei Lageveränderungen der Gleichgewichtsorgane infolge von Körperbewegungen sind die Statolithen durch die Einwirkungen der Schwerkraft bestrebt, den tiefsten Punkt der Statocyste einzunehmen. Dabei wird Druck auf die Statocystenwand ausgeübt, oder bei verwachsenen Statolithen werden entsprechend den Lageveränderungen die Sinnespolster (Gravirezeptoren) durch die Druck- bzw. Zugkomponente gereizt. Dieser Typ von Gleichgewichtsorgan funktioniert also als Schweresinnesorgan (statisches Organ). Eine Ausnahme unter den Wirbellosen stellen die Insekten dar, die keine Statocysten besitzen. Bei diesen Tieren haben andere Organe (Johnston-Organ, Gelenkrezeptoren) oder der Körper selbst bzw. Körperanhänge, insbesondere bei fliegenden Individuen, die Funktion der Gleichgewichtsorgane mit übernommen. – Die Statocysten der Wirbeltiere sind Aussackungen des häutigen Labyrinths, bestehend aus Bogengängen (Bogengangorgan), Utriculus, Sacculus und Lagena ( siehe Abb. 2 ). Letztere besitzt zugleich Hörfunktion; bei Säugetieren entsteht aus ihr ein reines Hörorgan. Das Gleichgewichtsorgan des Menschen besteht aus Utriculus, Sacculus und den drei häutigen Bogengängen des im Schläfenbein gelegenen Labyrinths (vestibuläres System). Die entsprechenden Sinnesepithelfelder sind fleckförmig (Macula statica) oder leistenartig (Crista ampullaris). Ihr prinzipieller Aufbau ist gleich. Sie bestehen aus Stützzellen und Sinneszellen, deren Sinneshärchen (Vestibularrezeptoren) in eine gallertige Masse (Gallertkuppel,Cupula) hineinragen. Der adäquate Reiz für die Maculae staticae ist Linearbeschleunigung, für die Cristae ampullares Winkelbeschleunigung. Die Erregungen werden durch den Vestibularis zentralwärts geleitet. Die bipolaren Nervenzellen, die das Ganglion vestibulare (Vestibularganglion) bilden, liegen am Boden des inneren Gehörganges (Meatus acusticus internus). Es gibt zahlreiche Verschaltungen des vestibulären Systems auf der Ebene des Hirnstamms. Die Verbindungen zur Großhirnrinde sind jedoch im Gegensatz zu denen des akustischen Systems nur spärlich. Durch die enge Verbindung zu den Augenmuskelkernen kommt es bei Störungen des Gleichgewichtssinns zum vestibulären Nystagmus. Kinetosen, Kleinhirn, mechanische Sinne, Mechanorezeptoren.
Gleichgewichtsorgan
Abb. 1: Schweresinnesorgane von Invertebraten
1 Statocyste einer Rippenqualle
2 Statocyste einer Muschel
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