Lexikon der Neurowissenschaft: Greifen
Greifen s, Zugreifen, E grip, aktives bewußtes oder unbewußtes Schließen der Hand um einen in Körpernähe befindlichen Gegenstand. Die Voraussetzungen für die Ausführung der Greifbewegung bilden sich schon beim Fetus im Uterus aus ( siehe Zusatzinfo ). Ein Kind kann mit 9 Monaten die Hand rechtzeitig vor dem Zufassen öffnen und an die Form des zu ergreifenden Gegenstands anpassen. Doch erst im Alter von 13 Monaten wird der Handschluß mit guter zeitlicher Abstimmung ausgeführt. Im weiteren Verlauf wird die Greifbewegung in umfangreichere Handlungsvollzüge einbezogen und schließlich weitgehend automatisiert. Seine Ausführung ist dann auch ohne tatsächliches Zugreifen nur in der Vorstellung möglich. Welche Bedeutung diesen Verschaltungen bis hin zur Kognition zukommt, wird aus dem Bedeutungsinhalt des Wortes "begreifen" im Deutschen "handgreiflich" deutlich. Parallel zum Zugreifen werden die gleichen Muskeln und Muskelgruppen auch im Rahmen anderer Programme zur Realisierung anderer Handlungsziele eingesetzt. Greifreflex.
Greifen
Die Finger- und Handmuskeln des Fetus werden von Rückenmarksnerven innerviert, der Arm kann ausgestreckt werden, und nach genetischer Vorgabe beginnt im Rückenmark die Ausbildung von Verschaltungen zwischen den Innervationsgebieten der an der Greifbewegung beteiligten Strecker- und Beugermuskeln.
Schon mit 2 Monaten kann ein Säugling seinen Arm aktiv nach einem Gegenstand ausstrecken, wobei jedoch die Hand noch geschlossen bleibt. Diese Bewegung wird in den nachfolgenden Wochen in unterschiedlichen Varianten wiederholt. Dadurch werden im Rückenmark unterschiedliche Innervationsmuster zur Ausbildung variabler motorischer selbstorganisierender funktioneller Systeme geübt und gefestigt. Im 4. Monat ist das erste Greifen mit geöffneter Hand zu beobachten, wobei die Bewegungen noch weitgehend chaotisch ausgeführt werden. Durch weiteres Üben und die Einbeziehung immer höherer Abschnitte des Zentralnervensystems wird das Innervationsprogramm den variablen äußeren Bedingungen immer besser angepaßt und stabilisiert.
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