Lexikon der Neurowissenschaft: Guillain-Barré-Syndrom
Guillain-Barré-Syndroms [benannt nach den französischen Neurologen Georges Guillain (1876-1961) und Jean Barré (1880-1967)], Polyradikulitis Guillain-Barré, akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (Abk. AIDP), RadikuloneuritisGuillain-Barré, akute infektiöse Polyneuritis,akute Polyradikulitis,idiopathische Polyneuritis,Neuritis ascendens, Neuronitis, EGuillain-Barré syndrome, acute idiopathic polyneuritis, schwere Form einer akuten, ausgebreiteten Entzündung der peripheren Nerven (idiopathische Polyradikulitis). Charakteristisch ist eine schnell einsetzende Schwächung und häufig eine Lähmung der Extremitäten, der Atemmuskulatur und des Gesichts. Die Prognose ist relativ günstig, da 60% der Patienten vollständig wieder gesund werden (es können motorische Defekte bleiben), und die Mortalität bei unter 5% liegt. Die Ursache ist unklar; häufig tritt es nach einer viralen Infektion oder einer Campylobacter-Infektion auf. Unabhängig von der Ursache findet sich immer eine Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem die Myelinscheide und manchmal sogar das Axon selbst angreift. – Klinisch kommt es zu Beginn der Erkrankung meist zu sensiblen Mißempfindungen, zuerst an den unteren Extremitäten, gefolgt von aufsteigenden schlaffen Lähmungen, oft bis hin zur Tetraplegie oder -parese. Die Reflexe sind erloschen. Die Hirnnerven können mit einbezogen sein, so tritt z.B. häufig eine Facialislähmung auf. Bei Befall der unteren Hirnnerven mit Störungen des Atemzentrums und Schluckvorgangs spricht man von einer Landry-Paralyse. Häufig ist auch das vegetative Nervensystem beteiligt, was zu bedrohlichen Herzrhythmus- und Blutdruckregulationsstörungen führen kann. Nach ca. 2-4 Wochen erreichen die Lähmungen ihr Maximum, nach einer etwa ebenso langen Plateauphase beginnt die langsame Rückbildung. In 2-5% der Fälle treten Rückfälle auf. In der Cerebrospinalflüssigkeit findet sich eine "cytoalbuminäre Dissoziation", eine typische Konstellation mit deutlich erhöhtem Eiweißgehalt bei normaler bzw. nur gering erhöhter Zellzahl. Neurographisch finden sich früh Zeichen der Wurzelschädigung (verzögerte F-Wellen-Latenz; F-Wellen-Messung) sowie Leitungsblöcke und eine reduzierte Nervenleitungsgeschwindigkeit. Als Varianten gelten das Miller-Fisher-Syndrom, das Elsberg-Syndrom, die akute motorische axonale Neuropathie (AMAN) ohne Sensibilitätsstörungen mit rein axonalem Befall und die akute motorisch-sensible axonale Neuropathie (AMSAN) mit rein axonalem Befall und ungünstigerer Prognose. Die Therapie besteht in einer frühzeitigen Plasmapherese (Plasmaaustauschtransfusion), bei chronischen Verläufen auch Corticosteroide und Immunsuppressiva.
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