Lexikon der Neurowissenschaft: Hemiplegie
Hemiplegie w, Hemiplegia, Halbseitenlähmung, Ehemiplegia, vollständige halbseitige Körperlähmung (im Gegensatz zur unvollständigen Hemiparese), die oft auch die Gesichtshälfte miteinbezieht und aus Schädigungen im Verlauf der Pyramidenbahn resultiert (Läsion im primären Motorcortex, Corona radiata, Capsula interna, Hirnstamm oder Rückenmark; siehe Tab. ). Bei Schädigung oberhalb der Pyramidenkreuzung liegt sie contralateral zur Lähmungsseite, bei darunterliegenden Läsionen ipsilateral. Als zentrale Lähmung ist sie spastisch (Hemiplegia spastica) mit erhöhtem Muskeltonus, gesteigerten Reflexen und positivem Babinski-Reflex ("Pyramidenbahnzeichen"); im Frühstadium kann sie allerdings noch schlaff imponieren (Hemiplegia flaccida). Ursächlich sind häufig Durchblutungsstörungen (die Hemiparese ist das häufigste Symptom eines Schlaganfalls), Raumforderungen (z.B. durch Tumoren), entzündliche Erkrankungen (z.B. multiple Sklerose, Encephalitis), Gehirnblutungen, selten erbliche, degenerative oder Stoffwechselerkrankungen. Je nach Ursache und Ausdehnung der Läsion sind andere neurologische Symptome begleitend, z.B. halbseitige Gefühlsstörungen (sensomotorische Hemiparese), Sprachstörung usw. Seltene Sonderformen sind Hemiplegia alternans, Hemiplegia cruciata und infantile spastische Hemiplegie. Die (familiäre) hemiplegische Migräne führt zu wiederholten vorübergehenden Halbseitenlähmungen im Rahmen der Migräneattacke (Migräne).
Hemiplegie
Formen der Hemiplegie
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Hemiplegia alternans | motorische Lähmungen und/oder Sensibilitätsstörungen der gegenüberliegenden Seite bei gleichzeitigen herdseitigen Hirnnervenausfällen. Beispiele: Weber-Lähmung mit ipsilateraler Oculomotoriuslähmung, Millard-Gubler-Lähmung mit ipsilateraler Facialislähmung | Hirnstammläsion mit herdseitiger Schädigung der bereits gekreuzten Bahnen zu den Hirnnervenkernen und der noch ungekreuzten Pyramidenbahn zur contralateralen Körperhälfte (meist ischämisch) | |
Hemiplegia cruciata | Lähmung eines Armes und des Beines der anderen Körperseite | Pyramidenbahnschädigung seitlich der Pyramidenkreuzung (der vor der Kreuzung gelegenen Armfasern und der hinter der Kreuzung gelegenen Beinfasern) | |
Hemiplegia flaccida | Gliedmaßenerschlaffung, vorübergehend im akuten Schockstadium eines Schlaganfalls oder chronisch; Reflexe sind beeinträchtigt | Schlaganfall im Bereich der Capsula interna; ausgedehnte gegenseitige Schädigung der Großhirnrinde oder der Capsula interna unter Beteiligung der ventralen und lateralen Kerne des Thalamus und der subcorticalen Bahnen | |
homolaterale/collaterale Hemiplegie | Lähmung der herdseitigen Körperhälfte | Massenverschiebung mit Anpressen des herdgegenseitigen Hirnschenkels gegen das Kleinhirnzelt und Druck gegen die noch ungekreuzte Pyramidenbahn | |
kapsuläre Hemiplegie | Lähmung mit charakteristischer Gliedmaßenhaltung (Wernicke-Mann-Lähmungstyp): Arm an Rumpf herangezogen, im Ellbogengelenk gebeugt; das Bein bis zur Fußspitze gestreckt, wird beim Gehen halbkreisförmig herumgeführt | Schädigung der Pyramidenbahn im Bereich der Capsula interna | |
Hemiplegia spastica | Lähmung mit unwillkürlicher Steigerung der Muskelspannung, Reflexsteigerung, Pyramidenbahnzeichen (Babinski-Zeichen); typischerweise Beugespastik der oberen Extremität, Streckspastik der unteren Extremität | Schädigung im Verlauf der Pyramidenbahn (unterschiedlicher Ursache) | |
Hemiplegia spastica infantilis | ätiologisch heterogene Form der cerebralen Kinderlähmung mit allgemeiner Tonuserhöhung, Athetose, Wachstumsrückstand, Muskelatrophie der gelähmten Gliedmaßen, eventuell auch Intelligenzdefizit | einseitige Hirnschädigung mit Läsion der Pyramidenbahn (unterschiedlicher Ursache) |
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