Lexikon der Neurowissenschaft: Heredodegeneration
Heredodegeneration w, heredodegenerative Systemkrankheit, Eheredodegeneration, allgemeine Bezeichnung für erbliche Erkrankungen mit degenerativen Prozessen des Nervensystems ( siehe Tab. ). Dabei gehen die Nervenzellen eines bestimmten Funktionssystems vorzeitig und fortschreitend zugrunde. Anders als bei den neurometabolischen Speicherkrankheiten entstehen dabei weder abnorme Stoffwechselprodukte noch sind Enzymdefekte bekannt. Sowohl im Erwachsenenalter als auch im Kindesalter gibt es eine Vielzahl dieser oft seltenen hereditären Systemdegenerationen, die teils dominant, teils rezessiv vererbbar sind. Der Krankheitsbeginn ist wie die Prognose sehr unterschiedlich. Während manche Patienten mit hereditären motorisch-sensiblen Neuropathien (HMSN) ein hohes Alter erreichen und nur wenig eingeschränkt berufsfähig sind, verlaufen andere Erkrankungen wie z.B. die spinale Muskelatrophie Typ Werdnig-Hoffmann, die schon in utero beginnt, in wenigen Jahren tödlich.
Heredodegeneration
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hereditäre motorisch-sensible Neuropathien (HSMN) | periphere motorische Neurone | autosomal-dominant, autosomal-rezessiv | distal beginnende Lähmungen und Muskelatrophien, Ausfall der Vibrations- und Lageempfindung, schmerzhafte Muskelkrämpfe, herabgesetzte Nervenleitungsgeschwindigkeit | |
Chorea Huntington | Corpus striatum, Stirnhirnrinde | autosomal-dominant | psychische Veränderungen, Hyperkinesie, Grimassieren, Demenz | |
idiopathische Torsionsdystonie (Schwalbe-Ziehe-Oppenheim-Syndrom, Dystonia musculorum deformans) | Putamen, Pallidum | autosomal-dominant, autosomal-rezessiv, X-chromosomal-rezessiv | wechselnd hypo- und hypertone, ziehende und drehende Zwangsbewegungen | |
progressiver Tremor | Stammganglien | gutartiger Tremor | ||
amyotrophe Lateralsklerose | spinale und corticale Motoneurone | meist sporadisch, bei 10% familiär gehäuft | Kombination von schlaffen und spastischen Lähmungen, Muskelatrophien, Para-, später Tetraspastik. | |
spinale Muskelatrophien (SMA; Werdnig-Hoffmann, Kugelberg-Welander, chronische spinale Muskelatrophie, Adult-onset SMA) | motorische Vorderhornzellen | autosomal-rezessiv, autosomal-dominant, X-chromosomal-rezessiv | im Säuglings- bzw. Kindesalter einsetzende Muskelatrophie, zunächst stammbetont, später generalisiert | |
spastische Spinalparalyse (hereditäre Paraplegie; Erb-Charcot, v.-Strümpell) | Ganglienzellen der motorischen Hirnrinde und Pyramidenbahnfasern | autosomal-dominant, auch rezessiv und X-chromosomal | Para-, später Tetraspastik, Pseudobulbärparalyse | |
Friedreich-Ataxie (Sonderform: Marinescu-Sjörgen-Syndrom) | Hinterstränge, spinocerebelläre Bahnen und Tractus corticospinalis | autosomal-rezessiv | Ataxie, Dysmetrie, Intentionstremor, Nystagmus, cerebelläre Dysarthrie, Hohlfuß mit Hammerzehe | |
Marie-Syndrom II (= Nonne-Marie-Syndrom) | Kleinhirn | Ataxie, Nystagmus, choreatische Symptome | ||
spastische Ataxie | spinocerebelläre und corticospinale Bahnen | Ataxie und spastische Spinalparalyse | ||
Leber-Syndrom (hereditäre Ophthalmopathie) | Opticus | Punktmutation im maternal erblichen mitochondrialen Genom | Ausfall des zentralen Sehvermögens | |
tapetoretinale Degeneration (5 Varianten) | Netzhaut, Aderhaut | autosomal, geschlechtsgebunden |
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