Lexikon der Neurowissenschaft: homöotische Gene
homöotische Gene [von griech. homoiosis = gleichartig, ähnlich], homeotische Gene, Ehomeotic genes, inzwischen mehrheitlich und unabhängig von ihrem artspezifischen Vorkommen als Hox-Gene bezeichnet (Hox); eine spezielle Gruppe der Homöobox-Gene, die durch ihre chromosomale Organisation, ihre Expression und vor allem Funktion eine Sonderstellung einnehmen und in allen bislang untersuchten Tierarten beschrieben wurden. Homöotische Gene wurden zuerst bei Drosophila melanogaster (HOM-C) aufgrund der auftretenden Phänotypen gefunden, die durch Mutationen der betreffenden homöotischen Gene entstehen. Am bekanntesten ist die Antennapedia-Mutante, bei der am Kopf der Fliege Beine anstatt Antennen ausgebildet werden ( siehe Abb. 1 , siehe Abb. 2 ). Derartige Transformationen von Strukturen eines Körpersegments in die entsprechenden Strukturen eines anderen Segments werden als Homeosis bezeichnet. Darüber hinaus sind homöotische Gene am Prozeß der Segmentierung (Musterbildung) sowie bei der Festlegung der Identität von Organen und bestimmten Zelltypen maßgeblich beteiligt. Die Zahl der homöotischen Gene variiert je nach Komplexität des betreffenden Organismus; so sind z.B. in Drosophila 8 homöotische Gene beschrieben worden, wohingegen es bei den Vertebraten 39 oder mehr davon gibt. In allen Fällen sind die homöotischen Gene in Clustern angeordnet, und ihre Expressionsmuster entlang der anterioren-posterioren Körperachse widerspiegeln ihre Anordnung in 3'-5' Richtung auf dem Chromosom; man spricht daher von räumlicher Kolinearität. Bei Vertebraten ist darüber hinaus auch eine zeitliche Kolinearität der homöotischen Genexpression beschrieben worden, wonach eine Progression von 3'/frühem nach 5'/spätem Expressionbeginn dieser Gene zu beobachten ist. In der Entwicklung und Differenzierung des Nervensystems spielen die homöotischen Gene eine zentrale Rolle, da sie sowohl an der Bildung als auch der Identitätsgebung von Segmenten und Zelltypen, z.B. des Hinterhirnbereichs von Drosophila und bei den Vertebraten (Neuromer), bis hin zur räumlichen Anordnung von Rezeptortypen entscheidend beteiligt sind.
homöotische Gene
Abb. 1: Schema des Antennapedia-Typs eines Homöodomänen-Proteins
homöotische Gene
Abb. 2: Homöotische Mutante der Fruchtfliege Drosophila melanogaster;a Kopf einer Wildtyp-Fliege, b starke Antennapedia-Mutation, welche die Antennen vollständig zu Beinen transformiert.
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