Lexikon der Neurowissenschaft: L1
L1, neurales Erkennungsmolekül L1, Mitglied der Immunglobulingen-Superfamilie (IgCAM) von Zelladhäsionsmolekülen mit einer Größe von etwa 200 kDa und sechs Ig-ähnlichen Domänen (Immunglobulingen-Superfamilie) sowie fünf Fibronectin III-ähnlichen Domänen, einer Transmembrandomäne und einer cytoplasmatischen Domäne. L1 wurde in Mensch, Maus und Ratte kloniert; homologe Moleküle sind NgCAM (Neuron-Glia-Zelladhäsionsmolekül; in Hühnern), NrCAM (NgCAM-verwandtes Zelladhäsionsmolekül) und CHL1 (ein zu L1 sehr homologes Molekül) in Vertebraten sowie Neuroglian und Tractin in Invertebraten. Während der Entwicklung des Zentralnervensystems wird L1 auf der Oberfläche von langen Axonen und Wachstumskegeln sowie später im erwachsenen Organismus weiter auf unmyelinisierten Axonen exprimiert. L1 interagiert mit L1-Molekülen auf benachbarten Zellen (homophile, Ca2+-unabhängige Bindung), aber auch mit anderen Molekülen der IgCAMs, wie Axonin-1, F11 und DM-GRASP. Die Assoziation von Axonin-1 und L1 erfolgt in cis (auf derselben Zelle) in der Membranebene und spielt eine entscheidende Rolle bei durch L1 vermitteltem Neuritenwachstum. Die intrazelluläre Domäne von L1 interagiert mit Ankyrin (Linker-Protein des Spectrin-Zellskeletts) und stellt somit eine Verbindung zum Actin-Zellskelett her. Die Mitglieder der L1-Familie sorgen für die korrekte Knüpfung von neuronalen Verbindungen durch Stimulation bestimmter Axonverlängerungen und durch Stabilisierung von faszikulierten Projektionen. So ist L1 für die Bildung des Tractus corticospinalis (Pyramidenbahn) in Menschen und Mäusen wesentlich. Wahrscheinlich ist L1 auch an der Langzeitpotenzierung (LTP) und an Aktivitäts-abhängiger synaptischer Plastizität während der ontogenetischen Entwicklung beteiligt. Darüber hinaus scheint es für die Schwannzell-Axon-Interaktion wichtig zu sein. (Schwann-Zelle, Axon). Mutationen im L1-Gen sind die Grundlage einer sehr variablen, rezessiven neurologischen Krankheit, dem CRASH-Syndrom, welches die klinischen Bilder von X-gekoppeltem Hydrocephalus, MASA-Syndrom und spastischer Paraplegie Typ 1 zusammenfaßt.
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