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Lexikon der Neurowissenschaft: Leibniz, Gottfried Wilhelm

Leibniz, Gottfried Wilhelm Freiherr von ( siehe Abb. ), *1.7.1646 Leipzig, †14.11.1716 Hannover; deutscher Universalgelehrter (Philosoph, Mathematiker, Physiker; siehe Zusatzinfo ), entwickelte u.a. eine analytische Theorie des erkennenden Bewußtseins und, ausgehend von der Mechanik, dynamisch-energetische Vorstellungen. Seine Monadenlehre gründet auf mehr oder weniger bewußten körperlich-geistigen Einheiten (Monaden): Was uns als Körper erscheint, ist in Wahrheit eine Zusammenfassung vieler Monaden. Mineralien und Pflanzen sind gleichsam schlafende Monaden mit un- bzw. unterbewußten Vorstellungen; Tiere haben bereits Wahrnehmungs- und Gedächtnisfunktionen, Menschen zusätzlich die Fähigkeit zu klaren und deutlichen Vorstellungen. Seine Lehre von der sog. "prästabilierten Harmonie" postuliert einen Parallelismus von körperlichen und seelischen Funktionen. Mit seinem Konzept der Minimalwahrnehmungen ("petites perceptions") im Sinne differentieller Wahrnehmungseinheiten wird Leibniz zum Wegbereiter des Schwellenbegriffs als Grundlage quantitativer Messungen von Sinneswahrnehmungen (Fechner-Gesetz, Psychophysik).



G.W. von Leibniz

Leibniz

Leibniz studierte (bereits mit 15 Jahren) Jura in Leipzig, Jena und Altdorf (bei Nürnberg) und war danach juristischer und diplomatischer Berater in Kurmainzer Diensten; 1672-76 hielt er sich mit diplomatischem Auftrag in Paris auf, wo er zahlreiche Mathematiker und Naturwissenschaftler kennenlernte, von denen C. Huygens zeitlebens sein väterlicher Freund bleiben sollte; er wurde Mitglied der Pariser Akademie und unternahm mehrere Reisen nach London, wo er unter anderem mit R. Boyle und R. Hooke zusammentraf; 1673 wurde er in die Royal Society aufgenommen; 1676 trat er als Bibliothekar und juristischer Berater in die Dienste des Herzogs von Hannover und wurde 1685 mit der Erforschung der Geschichte des Welfenhauses beauftragt; eine Reise durch Italien (1687-90) brachte ihn unter anderem mit M. Malpighi zusammen; 1691 wurde er Bibliothekar in der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel, wo er 1707 die Zusammenfassung seiner historischen Studien "Scriptores rerum Brunsvicensium" herausgab; bereits 1700 war auf sein Betreiben, mit Unterstützung der späteren Königin von Preußen, Sophie Charlotte, in Berlin die Societät der Wissenschaften (die spätere Akademie der Wissenschaften) gegründet worden, deren Präsident auf Lebenszeit er wurde; außerdem regte er die Gründung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg an und wurde russischer Staatsrat; 1712-14 lebte er in Wien und wurde dort 1713 zum Reichshofrat ernannt. Als führender und universalster Geist seiner Epoche (er wurde auch "Aristoteles des 17. Jahrhunderts" genannt) bemühte Leibniz sich auf wissenschaftlichem und politischem Gebiet um einen Ausgleich der Gegensätze. In den Naturwissenschaften leistete er hervorragende Beiträge zur Mathematik und Physik. Während seines Pariser Aufenthalts beschäftigte er sich mit mathematischen Problemen, wie der Summation unendlicher Reihen (z.B. Summation reziproker Dreieckszahlen), und erkannte die Bedeutung des "charakteristischen Dreiecks" beim Differenzenquotienten für das Tangentenproblem; er konstruierte eine Rechenmaschine (1672-74), die der von B. Pascal überlegen war, weil man mit ihr auch multiplizieren und dividieren konnte, und entwickelte ab 1675 (später, aber unabhängig von I. Newton) die Infinitesimalrechnung (als "Calculus" bezeichnet; 1684 veröffentlicht); er gab der Infinitesimalrechnung ihre einheitliche Sprache (prägte z.B. den Begriff "Funktion") und Symbolik, stellte Regeln für die Differentialrechnung (1684) und für die Integralrechnung (1686) auf, führte das Differentialzeichen und das Integralzeichen ein und fand den wichtigen Zusammenhang zwischen dem bestimmten und dem unbestimmten Integral sowie die partielle Integration, die z.B. bei Newton fehlen. (Über die Infinitesimalrechnung gab es bis zu seinem Tod mit Newton einen heftigen Prioritätenstreit: eine von der Royal Society eingesetzte Kommission sah sie als Plagiat von Newtons "Fluxionsrechnung" an; heute steht fest, daß beide Verfahren unabhängig voneinander entwickelt wurden.) 1697 veröffentlichte Leibniz eine Abhandlung über das binäre Zahlensystem (Rechnen mit Einsen und Nullen): in einem Briefwechsel (1694-1698) mit J. Bernoulli wurden die mathematischen Begriffe Funktion, Konstante, Variable, Koordinate, Parameter, Determinante, algebraische und transzendente Funktion festgelegt. – In der Physik erkannte Leibniz das Produkt aus der Masse und dem Quadrat der Geschwindigkeit (mv2) als maßgebend für die "lebendige Kraft" (Maß der Bewegung, heute als kinetische Energie bekannt) und fand 1693 das Gesetz von der Erhaltung der mechanischen Energie; er unterschied zwischen gleitender und rollender Reibung, lieferte den Grundgedanken für das Aneroidbarometer und gab eine Verbesserung der Dampfmaschine an; auch beobachtete er als einer der ersten den elektrischen Funken; 1707 erwähnte er in einem Brief das "Prinzip der kleinsten Wirkung". In der Biologie war er neben N. Hartsoeker, H. Boerhaave und A. van Leeuwenhoek Vertreter der Animalculisten innerhalb der Präformationstheorie, die er zu einem allgemein philosophischen Gedankengebäude (Präformismus) erweiterte; seine Ideen von der "Gradation" – Stufenleiter des Lebendigen und Unbelebten – sowie seine Vorstellungen von Entwicklungsprozessen in der Natur, die eine Abkehr von der bis dahin vorherrschenden statischen Betrachtung bedeuteten, formulierte er in den "3 Prinzipien der Weltordnung": 1. die größtmögliche Mannigfaltigkeit, weshalb diese Welt auch die beste aller möglichen sei; 2. die lückenlose Kontinuität, wonach die Natur keine Sprünge mache ("Natura non facit saltus"); 3. die hierarchische Ordnung ("Scala naturae"), repräsentiert durch die verschiedenen Monaden. Dabei lehnte Leibniz die von Platon bis Descartes gelehrte Uniformität und Konstanz ausdrücklich ab und sah einen ständigen Fortschritt in der Natur – ein Gedanke, der wegbereitend war für die Vorstellung von Evolution. Nach Leibniz sind das Leibniz-Kriterium (Regel über das Konvergenzverhalten alternierender Reihen) und die bedingt konvergierende Leibniz-Reihe benannt.

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