Lexikon der Neurowissenschaft: Mollusken-Nervensystem
Mollusken-Nervensystem [von latein. molluscus = weich], Enervous system of molluscs, das Nervensystem der Weichtiere (Mollusken;siehe Zusatzinfo 1 ). Es zeichnet sich durch ein paariges Cerebralganglion (Oberschlundganglion) aus, von dem ein Schlundring und ein Paar medioventrale Längsnerven (Pedalstränge) und ein Paar laterale Längsnerven (Pleuralstränge bzw. Pleurovisceralstränge) ausgehen, deren Perikaryen meist zu Ganglien konzentriert sind. Die Pleural- und Pedalstränge stellen nur bei den ursprünglichen Mollusken Markstränge dar (d.h., die Perikaryen sind über den Strang verteilt). Die Pleuralstränge sind untereinander stets durch Kommissuren verbunden. Bei den meisten Mollusken sind zwei Pedalganglien im Fuß lokalisiert, während die beiden Pleuralstränge je ein Pleural-, ein Parietal- und ein Visceralganglion ausbilden. Letztere innervieren die laterale Körperwand und die Eingeweide. Eine zunehmende Tendenz zur Verlagerung von Ganglien in die Nähe der Cerebralganglien zeigt sich bei den Gastropoda (Schnecken) und speziell bei den Cephalopoda (Kopffüßer). Bei letzteren sind die meisten Ganglien bereits so weit an die Cerebralganglien herangerückt, daß man von einem kompakten Gehirn sprechen kann; bei einigen Gattungen kommt es auch zur Ausbildung eines Kopfknorpels, der das Gehirn – wie der Schädel der Cranioten – schützend umgibt. Im folgenden werden die Nervensysteme der 7 Klassen der Mollusken ( siehe Zusatzinfo 1 ) näher erörtert.
Aplacophoren-Nervensystem ( siehe Abb. 1 ): Bei den Aplacophoren sind die Oberschlundganglien miteinander mehr oder weniger zu Cerebralganglien verschmolzen. Links und rechts der Cerebralganglien treten je drei Nervenbahnen aus, die Buccal-, Lateral- und Ventralstränge, die den Körper der Länge nach durchziehen. Drei kleinere Nerven ziehen beiderseits von den Cerebralganglien nach rostral und versorgen die Mundregion, das Grabschild und die vordere Sinnesgrube. Der Bereich des Vorderdarms wird durch die mit Kommissuren zu einem Ring vereinigten Buccalstränge (mit je einem Buccalganglion) nervös versorgt. Die Längsnervenstränge innervieren die hinteren Körperregionen sowie die Eingeweide. Ein gemeinsames Merkmal aller Aplacophora ist die Ausbildung einer über den Enddarm führenden suprarectalen Kommissur mit einem paarig angelegten Suprarectalganglion. Dieses sendet Nervenbahnen zur Mantelhöhle und erhält Afferenzen vom dorsoterminalen Sinnesorgan.
Polyplacophoren-Nervensystem ( siehe Abb. 2 ): Neben den Monoplacophora verfügen die Polyplacophora über das ursprünglichste Nervensystem aller Mollusken. Beginnend am cerebralen Schlundring ziehen zwei Pleurovisceralstränge seitlich auf dem Dach der Kiemenfurche und zwei Pedalstränge median im Fuß nach caudal. Dort bilden die Pleurovisceralstränge eine suprarectale Kommissur. Die Pedalstränge sind untereinander und mit dem jeweiligen Pleurovisceralstrang durch Kommissuren verbunden. Die Hauptstränge sind Markstränge; Ganglien werden lediglich als paarige Buccalganglien und Subradularganglien ausgebildet, wobei von dem unteren Schlundring Verbindungen zu den Subradularganglien unter der Radula (Raspelzunge) verlaufen. Als besonders charakteristische Sinnesorgane sind die (wohl photorezeptiven) Ästheten zu nennen, die in die äußere Schalenschicht eingebettet sind. Diese komplexen sensorischen und sekretorischen Organe werden von den Pleurovisceralsträngen innerviert.
Monoplacophoren-Nervensystem: Das Nervensystem der Monoplacophora zeigt deutliche Übereinstimmungen mit dem der Polyplacophora. Auch hier ziehen von den Cerebralganglien zwei Pleurovisceral- und zwei Pedalstränge nach caudal, wo sie sich verbinden und somit einen circumoralen Nervenring bilden. Der Schlundring setzt sich aus einer frontalen Cerebralkommissur, einem Paar lateraler Cerebralganglien und der Subcerebralkommissur zusammen. Er innerviert die Organe des Kopfbereichs. Nur im Bereich dieses Schlundrings kommt es zu einer Ausbildung von Ganglien (Cerebral-, Buccal- und Subradularganglien). Die Pedal- und Pleurovisceralstränge stehen über Kommissuren in Verbindung, die zwischen den Dorsoventralmuskeln verlaufen. Die Pedalstränge weisen, im Gegensatz zu den Gastropoda, nur eine Kommissur auf und innervieren überwiegend die Fußmuskulatur und die postoralen Tentakel. Die Pleurovisceralstränge versorgen den Mantel, die Kiemen und die Nephroporen.
Scaphopoden-Nervensystem ( siehe Abb. 3 ): Das Nervensystem der Scaphopoda ist eher einfach organisiert; es ist ein typisches, symmetrisch gebautes Mollusken-Nervensystem. Cerebral- und Pleuralganglien liegen eng beieinander; dicht hinter den Cerebralganglien liegen die Buccalganglien, wobei sich jeweils ein oberes und ein unteres Buccalganglion unterscheiden lassen. In weitem Abstand zu den Cerebralganglien liegen dicht beieinander die Pedalganglien, die den langgestreckten Fuß innervieren. An ihrem posterioren Ende sind die Statocysten lokalisiert (Gleichgewichtsorgan). Von den Cerebralganglien gehen zwei Nervenpaare und drei Konnektive ab. Dorsal verläßt ein Paar Mantelnerven die Cerebralganglien und zieht zur dorsalen Muskulatur, von wo es sich nach vorn orientiert und den vorderen dorsalen Mantelbereich innerviert. Ventrolateral der Cerebralganglien entspringen die beiden Captacular-Nerven, um die Captacula (am Kopf lokalisierte Fangfäden) zu versorgen, wobei jedes Captaculum einen eigenen Nervenast besitzt, der in einem kleinen Ganglion am Ende des Fangfadens endet. Die Cerebropedalkonnektive entspringen an den ventralen Seiten der Cerebralganglien in unmittelbarer Nähe der Austrittsstellen der Captacular-Nerven. Die Cerebropleuralkonnektive haben ihren Ursprung an der hinteren Seite der Cerebralganglien. Sie fusionieren nach kurzer Strecke mit den Cerebropedalkonnektiven zu einem gemeinsamen Cerebropleuropedal-Konnektiv. Von diesem ziehen feine Nervenstränge zu den Statocysten. Die Buccalkonnektive steigen von der Vorderseite der Cerebralganglien zu den Subradularganglien ab. Von den Pleuralganglien verlaufen Nervenbahnen zu den Cerebropleuropedalkonnektiven. Weiterhin werden von diesen Ganglien die Muskulatur der Körperwand sowie der ventrale vordere Mantelbereich versorgt. Die triangulären Visceralganglien sind zu beiden Seiten des Afters lokalisiert; sie innervieren die Eingeweide.
Bivalvia-Nervensystem ( siehe Abb. 4 ): Durch die weitgehende Reduktion des Kopfes und ihre Lebensweise als Filtrierer von Plankton und Schwebstoffen ist bei den Bivalvia die für Mollusken typische Radula nicht mehr vorhanden; das Nervensystem ist eher einfach organisiert, wobei die Reduktion des Kopfes Abwandlungen im Bauplan des Nervensystems zur Folge hat. Die Hauptganglien sind zu drei bilateral symmetrischen Ganglien verschmolzen: ein Paar Cerebropleuralganglien, in die auch die Buccalganglien eingegangen sind, ein Paar Pedalganglien und ein Paar Visceralganglien. Die Cerebral- und Pleuralganglien liegen dicht beieinander oder sind miteinander verschmolzen (Cerebropleuralganglien) und liegen lateral der Mundöffnung. Die Cerebralkommissur (Cerebropleuralkommissur) ist vor oder über dem Pharynx lokalisiert. Von den Cerebral- und Pleuralganglien zieht je ein gemeinsames Nervenbündel zu den Pedalganglien im Fuß und eines zu den besonders großen Visceralganglien, die am hinteren Schließmuskel liegen. Die Visceralganglien der Bivalvia entsprechen den Visceral- und Parietalganglien der Gastropoda. Innervationsgebiete der Cerebral- und Pleuralganglien sind der vordere Schließmuskel, der Mund, die Mundlappen und die Statocysten. Die Pedalganglien versorgen den Fuß und, falls vorhanden, den Byssus-Retraktor. Dagegen werden der hintere Schließmuskel, die Kiemen, Herz, Gonaden, Nieren, Darm und der hintere Mantelrand von den Visceralganglien versorgt. Aus der großen Anzahl von Sinnesorganen am Mantelrand erklärt sich die Größe der Visceralganglien, die dementsprechend die höchste Anzahl von Neuronen aufweisen, während die Anzahl der Neurone in den Cerebropleuralganglien am niedrigsten ist. Die Ganglien arbeiten in der Regel unabhängig voneinander. Lediglich bei Reaktionen, die den gesamten Körper betreffen, werden diese von den Cerebralganglien bzw. den Cerebropleuralganglien koordiniert. Die Bivalvia weisen eine Vielzahl von verschiedenen, z.T. sehr komplex ausgebildeten Gruben-, Blasen- und Linsenaugen (Auge) auf. Als chemorezeptive Organe (Chemorezeption) sind u.a. Osphradien vorhanden.
Gastropoden-Nervensystem ( siehe Abb. 5 ): An den lateralen, paarigen Pleuralsträngen finden sich hintereinander die Pleural- und Parietalganglien und das meist unpaare Visceralganglion. Die zueinander gehörenden contralateralen Ganglien sind über Kommissuren verbunden. Die nicht zusammengehörenden ipsilateralen Ganglien (ursprünglich auf derselben Körperseite angeordnet), stehen über Konnektive in Verbindung. Das Nervensystem rezenter Gastropoda umfaßt im wesentlichen folgende Hauptganglien: Ein Paar Cerebralganglien, ein Paar Buccalganglien, ein Paar Subradular- und/oder Labialganglien, ein Paar Pleuralganglien, ein Paar Pedalganglien, ein Paar Parietalganglien (Subintestinalganglien), ein unpaares Visceralganglion. Die Cerebral-, Buccal-, Subradular-, Labial- und Pedalganglien sind über Kommissuren verbunden. Die Pedalstränge ziehen zu den Pedalganglien und bilden mit ihren Kommissuren und den Cerebralganglien einen Schlundring. Konnektive ziehen von den Cerebralganglien zu den Buccal-, Subradular-, Labial-, Pedal- und Pleuralganglien. Ebenso sind die Pleuralganglien mit den Pedal- und Parietalganglien bzw. Subintestinalganglien verbunden, wie auch die Parietalganglien mit dem Visceralganglion. Es gibt jedoch neben den genannten Hauptganglien weitere akzessorische Ganglien im Bereich der peripheren Nerven, die überwiegend primäre sensorische Neurone enthalten. Bei hochentwickelten Vertretern der Gastropoden sind die Ganglien meist im Kopfbereich konzentriert. Ursprüngliche Vertreter weisen relativ lange Pleuralstränge auf, wodurch die Parietalganglien und das Visceralganglion im Eingeweidesack zu finden sind. Diese werden von einer Torsion des Eingeweidesacks erfaßt, was zu einer Überkreuzung der Pleurovisceralkonnektive (Chiastoneurie) führt ( siehe Zusatzinfo 2 ). Die Cerebralganglien stellen ein Sinneszentrum dar, das alle Reflexe und Bewegungen der von ihnen innervierten Organe steuert. Dies betrifft den Kopf mit der Mundregion und den dort vorhandenen Sinnesorganen (Augen und Statocysten). Für die Versorgung des Mundbereichs sind Buccalganglien verantwortlich, die mit den Cerebralganglien in Verbindung stehen. Das Orientierungsvermögen und das Ortsgedächtnis sind in den Cerebralganglien lokalisiert. Die Pedalganglien versorgen den Fuß und dessen peripheren Nervenplexus und koordinieren somit die Bewegung. Der Mantel wird von den Pleuralganglien innerviert. Kiemen, Osphradien (chemosensitive Organe) und die Haut erhalten ihre nervöse Versorgung aus den Parietalganglien. Die Visceralganglien innervieren die inneren Organe. Bei einigen Gastropoden konnten Neurosekrete nachgewiesen werden, die die Eiablage (Eiablagehormon) sowie den Wasserhaushalt steuern. Eine Tendenz zur Ausbildung eines geschlossenen neurosekretorischen Systems ist zu erkennen, wenngleich echte Neurohämalorgane, wie man sie bei Gliederfüßern und Wirbeltieren kennt, nicht vorhanden sind. Neurohämalbereiche, die in ihrer evolutiven Differenzierung zwischen denen der Gliederfüßer und der Ringelwürmer stehen, findet man bei pulmonaten Gastropoda (Lungenschnecken).
Cephalopoden-Nervensystem (Nervensystem, Abb. 6; siehe Abb. 6 ): Durch die fortgeschrittene Konzentration von Ganglien im Kopfbereich kann man bei den Cephalopoda (Kopffüßer) bereits von einem Gehirn sprechen. Die Relation von Gehirngewicht zu Körpergewicht übertrifft die der meisten Fische oder Reptilien. Das außerordentlich große Repertoire an Verhaltensmustern sowie die hohe Lernfähigkeit kennzeichnen die exponierte Stellung der Cephalopoden innerhalb der Wirbellosen. Die Organisation des Nervensystems ist gekennzeichnet durch periphere Ganglien, die für fein abgestimmte Reflexe zuständig sind, und ein übergeordnetes Gehirn, das die Kontrolle über den gesamten Organismus ausübt. Die Hauptelemente des Cephalopoden-Nervensystems sind die Cerebral-, Buccal-, Labial-, Subradular-, Pedal- und Pleurovisceralganglien. Als typische Neuerwerbungen kommen für diese Klasse brachiale, optische, olfaktorische, pedunculare und periphere Ganglien (Stellarganglien) und axiale Nervenfaserbündel in den Armen hinzu. Bei den Cephalopoden muß das Nervensystem der Tetrabranchiata (Vierkiemer, einzige rezente Gattung ist Nautilus) von dem der Dibranchiata (Zweikiemer, eigentliche "Tintenfische") unterschieden werden ( siehe Zusatzinfo 3 , siehe Abb. 6 ).
Dibranchiata – Gehirn: Bei den dibranchiaten Cephalopoden setzt sich die Konzentration nervöser Zentren fort und erreicht ihre höchste Komplexität bei den Octobrachia (Octopoda, achtarmige Tintenfische). Die Entwicklungshöhe und Leistungsfähigkeit des Dibranchiaten-Gehirns sind mit der der Wirbeltiere vergleichbar. Entsprechend dem Differenzierungsgrad des gesamten Nervensystems ist die Ausbildung der Sinnesorgane, was auch seinen Niederschlag in den vielfältigen Verhaltensmustern findet. Im Vergleich zu allen anderen Mollusken zeigen die Cephalopoden deutlich höhere Reaktionsgeschwindigkeiten und besitzen die Fähigkeit, Erregungszustände durch rasche Farb- und Formenwechsel der Körperoberfläche sowie durch spezielle Lichtsignale auszudrücken. Prinzipiell besteht das Gehirn aus einer Oberschlund- und einer Unterschlundmasse (das "eigentliche" Gehirn) und aus seitlichen Lobi optici, die an Größe oft das übrige Gehirn übertreffen. Bei adulten Vertretern von Octopus vulgaris geht man von ca. 40 Millionen Nervenzellen in der Ober- und Unterschlundmasse und ca. 130 Millionen Nervenzellen in den optischen Loben aus. – Die Ober- und Unterschlundmasse: Die supraoesophagealen Loben stellen das übergeordnete Hirnzentrum dar. Das Lang- und Kurzzeitgedächtnis, die Zentren des Lernens in seinen vielfältigen Ausprägungen und der Verarbeitung der eingehenden sensiblen Informationen sind in den vertikalen, subvertikalen, subpeduncularen, präkommissuralen, frontalen und Teilen der posterioren buccalen Loben lokalisiert. Die verschiedenen basalen Loben sowie der pedunculare Lobus stellen höhere motorische Zentren dar. Der anteriore basale Lobus ist in erster Linie für die Koordination der Arme, des Kopfes und der Augenbewegungen zuständig. Vom medianen basalen Lobus wird die Motorik des Schwimmens und der Atmung gesteuert. Der laterale basale Lobus kontrolliert die Muskelbewegungen der Chromatophoren und der Haut. Die motorischen Aktivitäten der Nahrungsaufnahme unterstehen dem superioren buccalen Lobus. Der perioesophageale Lobus stellt eine Art Schaltstation zwischen den übergeordneten und den untergeordneten motorischen Zentren dar. Er ist beteiligt an Abwehr- und Fluchtreaktionen und bildet den Ursprung des Systems der Riesenfasern (s.u.). Die suboesophagealen Loben sind sämtlich motorische Zentren. – Optische Loben: Die optischen Loben verarbeiten die eingehenden visuellen Reize und regulieren das mit dem Sehen verbundene Verhalten. Es sind die Zentren für visuelles Unterscheidungsvermögen und das damit verbundene Lernvermögen. Weiterhin sind sie beteiligt an der Expression der Farb- und Formenvariationen der Haut bzw. der Chromatophoren. Im Gehirn von dibranchiaten Cephalopoden konnte eine Vielzahl von Substanzen nachgewiesen werden, die als Neurotransmitter oder Neuromodulatoren agieren.
Dibranchiata – peripheres Nervensystem: Das periphere Nervensystem der Dibranchiata besteht aus etwa doppelt so vielen Neuronen (350 Millionen Nervenzellen) wie das zentrale Nervensystem. Die zu ihm gehörenden Ganglien stellen untergeordnete motorische Zentren dar: Die Brachialganglien (Armganglien) bilden zusammen mit den kleinen subacetabulären Saugnapfganglien eine Ganglienkette, die die Bewegungen der Saugnäpfe koordiniert. Bei den Octobrachia sind ebensoviele Brachialganglien vorhanden wie Saugnäpfe ausgebildet sind. Den inferioren Buccalganglien obliegt die Innervation der Mundregion und der Radula-Muskulatur. Die Subradularganglien sind in der Muskulatur der Radula, in der Region der Speicheldrüsen lokalisiert: ihre Innervationsgebiete sind die Muskeln der Speicheldrüsen. Die Gastralganglien entspringen aus den unteren Buccalganglien; sie bilden mit drei in der Darmwand lokalisierten Nervenplexus das stomatogastrische Nervensystem. Die fusiformen Ganglien (spindelförmige Ganglien) sind bei den zehnarmigen Cephalopoden (Decabrachia) nicht vorhanden. Sie versorgen Aurikel (Herzvorhöfe), Ventrikel (Herzkammer) und den seitlichen Bereich der Vena cava. Die Cardialganglien liegen jeweils dicht an den Kiemenherzen. Von diesen Ganglien ziehen die meisten Nerven zu den Kiemenherzen. Faserverläufe versorgen auch den Bulbus cordis branchialis (Sepiida) und den Aurikel (Sepiida). Die Aurikularganglien sind nicht bei allen dibranchiaten Cephalopoden vorhanden; sie sind direkt auf den Aurikeln lokalisiert. Die Branchial- oder Kiemenganglien bilden eine Ganglienkette und versorgen die Muskulatur der Kiemenlamellen. Die Sternganglien innervieren die Mantelmuskulatur. Als vorherrschender Neurotransmitter wird L-Glutamat (Glutaminsäure) angesehen. Die extracerebralen Ganglien des neurosekretorischen Systems der Vena cava sind unweit des palliovisceralen Lobus lokalisiert. Sie werden in ihrer Funktion mit der des Hypothalamus-Hypophysen-Systems bei Wirbeltieren verglichen. Eine Vielzahl verschiedener Neurotransmitter (Serotonin, FMRF-amide und Catecholamine) wurden dort nachgewiesen. – Alle Ganglien sind aus peripher orientierten Perikaryen und einem zentralen Neuropil aufgebaut. Die peripheren Nerven der Dibranchiata sind insgesamt nicht myelinisiert (Myelin). Das System der Riesenfasern, welches bei Decabrachia und einigen Octobrachia vorhanden ist, stellt eine Besonderheit des Nervensystems dieser Cephalopoden dar. An ihm wurden die grundlegenden Erkenntnisse der Erregungsleitung an nervösen Geweben gewonnen. – Die Komplexität bestimmter Gehirnareale, das damit verbundene Leistungsvermögen und die Lernfähigkeit der Cephalopoden stehen in engem Zusammenhang mit ihrer Lebensweise. Zur Orientierung benutzen im Bodenbereich lebende Formen überwiegend ihren Tastsinn, während bei im offenen Gewässer lebenden Arten der optische Sinn im Vordergrund steht. Beide Systeme, das taktile und das optische, haben fördernde und hemmende Anteile. Durch das verschiebbare Gleichgewicht dieser Systeme lassen sich die komplizierten Verhaltensweisen bei Balz, Beutefang und Flucht koordinieren.
Pe.R.
Mollusken-Nervensystem
1Mollusken (Mollusca, Weichtiere, E molluscs) sind ein artenreicher Tierstamm, der die Aplacophora (Wurmmollusken), die Polyplacophora (Käferschnecken), die Monoplacophora, die Scaphopoda (Grab- oder Kahnfüßer), die Bivalvia (Muscheln), die Gastropoda (Bauchfüßer oder Schnecken) und die Cephalopoda (Kopffüßer) beinhaltet. Es sind meist gedrungene, in Kopf und Rumpf gegliederte, bilateral symmetrische Tiere, die in der Regel über den Mantel eine Cuticula und/oder eine Kalkschale abscheiden. Sie besitzen einen ventralen Fuß, meist fiederförmige Kiemen in einem Respirationsraum unter der Mantelfalte, eine Radula (Raspelzunge) und ein Herz in einem Pericardialraum. Mollusken besiedeln kosmopolitisch das Meer, das Süßwasser und das Land. Die Cephalopoda stellen die am höchsten entwickelte Klasse innerhalb der Evertebraten (Nicht-Wirbeltiere) dar.
Mollusken-Nervensystem
Abb. 1: Nervensystem einer Wurmschnecke (Aplacophora/Solenogastres). Ansicht von lateral, Mittelabschnitt weggelassen, Darmrohr schraffiert.
2 Während der Embryonalentwicklung der Gastropoda entsteht der Eingeweidesack als dorsale Ausstülpung. Dieser Teil wächst schneller als die Bauchseite (Ventralseite), so daß er mehr und mehr nach hinten, in Richtung der Längsachse verlagert wird. Dadurch erfahren Mund und After eine deutliche Annäherung. In der weiteren Entwicklung kommt es zu einer mehr oder weniger starken Torsion dieses Eingeweidesackes um seine Längsachse, also der Dorsoventralachse des Tieres. Die Torsion kann im Extremfall 180° betragen. Dieser Vorgang bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Anatomie. Die zunächst nach hinten orientierten Kiemen und Exkretionspori wandern nach vorne, und das linke Parietalganglion gelangt auf die rechte Seite und umgekehrt. Dabei überkreuzen sich auch die Pleurovisceralstränge (Chiastoneurie). Wird diese Überkreuzung sekundär wieder rückgängig gemacht oder kommt es zu einer frühzeitigen Verlagerung der Ganglien nach rostral, so daß die Pleurovisceralstränge nicht in die Torsion einbezogen werden, so bezeichnet man dies als Euthyneurie.
Mollusken-Nervensystem
Abb. 6: Nervensystem eines Nautilus (Cephalopoda; Tetrabranchiata), stark vereinfacht und schematisiert, Verdauungstrakt und Trichter schraffiert. Nur wenige der insgesamt ca. 90 Tentakeln und -nerven sind dargestellt. Auf der linken Seite ist das Ganglion opticum weggelassen, um das Pleurovisceralganglion sichtbar zu machen.
Mollusken-Nervensystem
3Tetrabranchiata-Nervensystem:
Als besonders ursprüngliche Merkmale von Nautilus werden u.a. die Ausbildung einer äußeren Schale, die hohe Anzahl saugnapfloser Tentakel (ca. 90 Stück) und die einfachen Lochkamera-Augen angenommen. Die Organisation der nervösen Struktur unterscheidet sich deutlich von der anderer Mollusken, wie z.B. der Gastropoda: Es sind z.B. keine kompakten Ganglien vorhanden.
Das Nautilus-Gehirn ist wesentlich einfacher gebaut als das der dibranchiaten Cephalopoda, jedoch im Vergleich zu den Gastropoda keineswegs primitiv. Obwohl die für Dibranchiata typischen Zentren für Lernen, Gedächtnis und fein abgestimmte Armbewegungen fehlen oder noch nicht nachgewiesen wurden, so ist es de facto nach dem gleichen Bauplan aufgebaut. Es besteht aus drei ringförmig um den Oesophagus orientierten, medullären Nervensträngen mit einem supraoesophagealen und zwei suboesophagealen Anteilen sowie einem magnocellularen Lobus an jeder Seite. Die räumliche Trennung dieser Nervenstränge bei Nautilus hat ein von den Verhältnissen bei dibranchiaten Cephalopoden abweichendes Erscheinungsbild zur Folge. Der supraoesophageale Anteil bzw. Cerebralstrang verläuft über dem Oesophagus. An ihm haben Labial- und Buccalnerven ihren Ursprung. Dem Cerebralstrang unterliegt die Kontrolle des Freßvorgangs, was durch Verbindungen zwischen Buccalregion, Lobi optici, Lobi olfactorii, den chemorezeptiven Organen und den Tastrezeptoren der Tentakel deutlich wird. Der Cerebralstrang geht ohne scharfe Grenzen in die magnocellularen Lobi und die Lobi optici über. Der obere Anteil der magnocellularen Loben bildet den Ursprung für die Innervation der vorderen und hinteren Augententakel. Die beiden suboesophagealen Anteile des Gehirns setzen sich aus dem posterioren Palliovisceralstrang (Pleurovisceralstrang) und dem anterioren Pedalstrang zusammen, der sich wiederum in einen Lobus brachialis und einen Lobus infundibularis untergliedern läßt. Der posteriore Palliovisceralstrang entsendet die Visceralnerven sowie Fasern zur Retraktormuskulatur. Afferenzen aus den Statocysten ziehen über die magnocellularen Lobi in diesen Nervenstrang hinein. Der anteriore Pedalstrang hat als Innervationsgebiete Arme, Kopfkappe und Trichter. Die drei genannten Nervenstränge vereinigen sich auf beiden Seiten in je einem Lobus magnocellularis. Diese Lobi enthalten die wichtigsten motorischen Zentren des Tieres. Im Gegensatz zu den dibranchiaten Cephalopoden bilden die optischen Nerven kein Chiasma opticum zwischen der Netzhaut und den Lobi optici aus.
Peripheres Nervensystem: Von der supraoesophagealen Region des Gehirns ziehen Nervenfaserbündel zu den Tentakeln. Die nur bei Nautiliden vorhandenen vorderen und hinteren Augententakel werden von den magnocellularen Loben versorgt. Der hintere Schlundring entsendet die Visceralnerven, die die Eingeweide innervieren, und Schalenmuskelnerven. Die für Dibranchiata charakteristischen Sternganglien sind nicht vorhanden. Buccalganglien sind für die Innervation der Radula zuständig. Nautiliden verfügen über Osphradien, die den übrigen Cephalopoden fehlen.
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