Lexikon der Neurowissenschaft: Nachahmungslernen
Nachahmungslernen s, Imitationslernen, Beobachtungslernen, Modell-Lernen,Eimitative learning, Lernen durch Beobachtung der Handlungen anderer Individuen, wodurch deren wahrgenommene Verhaltensweisen teilweise ins eigene Verhaltensrepertoire aufgenommen werden oder das eigene Verhalten modifiziert wird. Dabei ist es nicht erforderlich, daß der Beobachter die nachzuahmende Reaktion während der Zeit seiner Beobachtung selbst ausführt, er muß sie nur im Gedächtnis behalten. Das als Modell dienende andere Individuum braucht nicht einmal anwesend zu sein, sondern kann auch über ein Medium (z.B. Buch, Film) vermittelt werden ( siehe Zusatzinfo ). – Eine spezialisierte Nachahmung gibt es im akustischen Bereich insbesondere bei verschiedenen Vogelarten, z.B. das "Sprechen" der Papageien oder das Spotten mancher Singvögel. Generell zur Nachahmung fähig sind höhere Affen, besonders Menschenaffen und der Mensch. Nicht in den Bereich des individuellen Lernens, sondern in den der stammesgeschichtlichen Anpassung gehört die "Nachahmung" durch Mimikry.
Nachahmungslernen
Nach der verhaltenstheoretischen Auffassung ist Nachahmungslernen eine Form des instrumentellen Lernens. Das Modell regt das Verhalten nur an, ob dieses gelernt wird, hängt von den Konsequenzen ab, die der Beobachter erfährt. Von großer Bedeutung ist hier die stellvertretende Verstärkung: Wird ein anderer für ein bestimmtes Verhalten belohnt, steigt unter ähnlichen Bedingungen die Wahrscheinlichkeit der Belohnung auch für den Beobachter. Beobachtungslernen ist ein effektiver Weg, rasch und ohne große Risiken Wissen und Fertigkeiten zu erwerben. Sie wird auch in der Psychotherapie zur Verhaltensmodifikation angewendet. – Nach der sozial-kognitiven Theorie besteht das Nachahmungslernen vor allem in der Informationsübermittlung und zentralen Integrationsprozessen, für die eine Verstärkung zwar förderlich, aber nicht notwendig ist. Dabei wird beim Modell-Lernen eine Aneignungsphase (Akquisition), für die Prozesse der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses entscheidend sind, und eine Ausführungsphase (Performanz) unterschieden, für die motorische Reproduktionsprozesse sowie Vorgänge der Verstärkung und Motivation wichtig sind. – Als entscheidende Grundlage und wichtiges Beispiel für soziales Lernen ist Nachahmungslernen auch eine essentielle Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung von Kultur. Das zeigte bei Japanmakaken z.B. die Ausbreitung des Kartoffelwaschens im Meer, das ein einzelner Affe erfand. Gruppenmitglieder haben es abgeschaut, und obwohl die erste Generation der Kartoffelwascher bereits gestorben ist, hält die Tradition noch heute an.
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