Lexikon der Neurowissenschaft: Navigation
Navigationw [von latein. navigatio = Schiffahrt], Enavigation, Prozeß der Fortbewegung (Lokomotion) auf ein bestimmtes Ziel zu, der eine exakte Positionsbestimmung und darauf aufbauend eine Kursbestimmung zum (bekannten) Ziel beinhaltet. Bei Tieren haben sich verschiedenste Navigationssysteme entwickelt, die sich unter anderem nach dem Stand der Gestirne (Astrotaxis), dem Erdmagnetfeld (magnetischer Sinn) oder dem polarisierten Himmelslicht (Polarisationssehen) richten, wie z.B. bei Zugvögeln (Vogelzug), wandernden Fischen (Aal, Lachs) oder Honigbienen (Bienensprache). Offenbar spielen während der einzelnen Phasen einer Navigation verschiedene Informationskanäle eine wechselnde Rolle, d.h., es werden Informationen verschiedener Herkunft (z.B. Sonnenstand und chemische Signale bei der Trachtfindung der Honigbiene, Gestirnorientierung und Landmarken beim Vogelzug) zur Orientierung verwendet. Neben genetisch relativ fest vorgegebenen Anteilen spielen auch in unterschiedlichem Maße Lernprozesse (Lernen) bzw. Erfahrungen eine wesentliche Rolle bei der Realisierung der oft erstaunlichen Leistungen ( siehe Zusatzinfo ). Experimentelle Ergebnisse lassen darauf schließen, daß komplexen Navigationsleistungen wie dem Vogelzug eine Reihe komplexer zentralnervöser Mechanismen zugrundeliegen, die nach dem heutigen Kenntnisstand in 4 Komponenten aufgeteilt werden: 1) Wegintegration, 2) zielgerichtetes Pilotieren, 3) Einsatz eines Bildgedächtnisses (Landmarken und ähnliches) sowie 4) Einbeziehung einer "kognitiven Karte", die die Projektion des jeweiligen Kompaßsystems (z.B. Sonnen- oder Magnetkompaß) auf die topographische Karte darstellt und nunmehr die Navigation ermöglicht – in Analogie technischer Navigationssysteme. – Die meisten Daten liegen zur Magnetfeldorientierung vor. Nachweislich dient sie bei verschiedenen Molluskenarten, Krebsen, Insekten und vor allem Wirbeltieren (Fischen, Reptilien, Vögeln und Säugern) zur Orientierung. Die Mechanismen der Rezeption des Magnetfelds sind jedoch, wie auch die der anderen Kompaßmechanismen, noch weitgehend unbekannt; es werden physikochemische Reaktionen von angeregten Makromolekülen diskutiert. Elektrophysiologisch sind magnetfeldsensible Neurone bei marinen Schnecken und Fischen nachgewiesen, und bei Wirbeltieren erweist sich die Epiphyse sensibel gegenüber magnetischer Reizung. Bei Vögeln sind das Tectum opticum, bestimmte Teile des Trigeminus sowie trigeminale Ganglien ansprechbar auf Änderungen elektromagnetischer Felder. Die der Navigation zugrundeliegenden Mechanismen werden als sehr vielfältig vermutet und erfordern daher noch viel Forschungsarbeit. – Von Navigation auf zellulärer Ebene wird bei der Wegfindung von auswachsenden Axonen (axon guidance) gesprochen.
Navigation
Es wurde nachgewiesen, daß bei vielen Zugvögeln, so z.B. bei der Mönchsgrasmücke, die allgemeine Zugrichtung angeboren ist. Entfernt man Jungtiere ohne Zugerfahrung von ihrem Geburtsort und setzt sie an einem weit entfernten Punkt aus, so ziehen sie in die genetisch vorgegebene Zugrichtung und kommen folglich nicht an ihrem eigentlichen Zielgebiet an. Erfahrene ältere Vögel hingegen sind, wahrscheinlich anhand des Sternenkompasses, in der Lage, die unterschiedliche Ausgangsposition zu korrigieren und ihre Zugrichtung entsprechend zu verändern. Für den Zug der Mönchsgrasmücke stellen die angeborenen Flugrichtungen also "Näherungswerte" dar, die nach dem ersten Zug mit Erfahrungswerten vervollständigt werden.
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