Lexikon der Neurowissenschaft: neurochirurgische Schmerztherapie
neurochirurgische Schmerztherapie, die Therapie von Schmerzen mittels Neurochirurgie. Sie besteht aus 1) der chirurgischen Ausschaltung von Schmerzbahnen, 2) der Implantation von Pumpen- und Stimulationssystemen zur Aktivierung schmerzhemmender Systeme im Zentralnervensystem (ZNS) und 3) der chirurgischen Beseitigung der Schmerzursache, z.B. bei der Janetta-Operation, Bandscheibenoperationen (Bandscheibenvorfall), Entlastungsoperation bei Karpaltunnel-Syndrom. 1) und 2) stellen die neurochirurgische Schmerztherapie i.e.S. dar ( siehe Zusatzinfo ).
neurochirurgische Schmerztherapie
1) Die Unterbrechung der Schmerzleitung mit Skalpell, neurotoxischen Medien (Neurolyse) oder der umschriebenen Thermokoagulation mit Mikrowellen im peripheren und zentralen Nervensystem führt zur Schmerzunempfindlichkeit und zunächst auch zum Nachlassen des therapierten Schmerzes. In vielen Fällen entstehen nach Wochen oder Monaten erneut chronische (Deafferentierungs-)Schmerzen, die schlimmer als die durch die Operation ausgeschalteten Schmerzen sein können. Deshalb werden nur noch wenige dieser Eingriffe unter strenger Indikation angewandt. Dies sind: fokale Thermokoagulation im Trigeminusganglion zur Behandlung der idiopathischen Trigeminusneuralgie; multiple fokale Thermokoagulationen im Hinterhorn eines oder mehrerer Rückenmarksegmente (DREZ-Läsion, von Edorsal root entry zone lesion), z.B. bei Postzoster-Neuralgie oder Schmerz nach Querschnittslähmung; Chordotomie (Durchtrennung des Vorderseitenstrangs [Vorderseitenstrangsystem] vom Rückenmark zum Hirnstamm und Thalamus) mit Skalpell oder (perkutan) durch Thermokoagulation, v.a. bei schweren Tumorschmerzen; neurolytische Blockade der Hinterwurzeln durch Umspülung mit Phenol (intrathekale Neurolyse), z.B. bei tumorbedingten Schmerzen.
2) Zur Neurostimulation gegen Schmerzen wird ein Katheter mit Mehrfachelektroden im Gehirn oder Rückenmark implantiert. Das Kabel ist an eine unter der Haut implantierte Empfänger-Induktionsspule angeschlossen. Auf diese werden über eine externe Induktionsspule die Reizströme eines elektronischen Miniaturstimulators übertragen. Der Patient kann nach Bedarf die Reizung einschalten und einstellen. Als Stimulationsorte werden z.B. das zur Schmerzregion gehörende Rückenmarksegment oder Stellen im Thalamus, im periventrikulären Grau oder in der Capsula interna gewählt. Zur Infusion von Morphin wird die Mündung eines Infusionskatheters in die gewünschte ZNS-Region implantiert, z.B. epidural oder subdural am Rückenmark (intrathekales Morphin) oder in einen Hirnventrikel. Der Katheter wird mit einer unter die Haut implantierten Morphinpumpe verbunden, die automatisch für eine kontinuierliche Infusion des Morphins sorgt. Das Reservoir der Pumpe wird bei Bedarf über eine Injektionskanüle von außen nachgefüllt. Besonders zur rückenmarksnahen Morphinanalgesie liegen umfangreiche Studien und Erfahrungen vor, Patienten mit schwersten Dauerschmerzen können zeitlich fast unbegrenzt wirksam therapiert werden.
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