Lexikon der Neurowissenschaft: neuroendokrines System
neuroendokrines Systems [von griech. neuron = Nerv, endon = innen, krinein = absondern], Neuroendokrinium, Neurokrinium, Eneuroendocrine system, hierarchisch strukturierter, sowohl Neurosekrete(neurosekretorisches System) als auch Hormone produzierender Bereich im Zentralnervensystem von Gliederfüßern, Wirbeltieren und Mensch. Bei Gliederfüßern am besten untersucht ist der Protocerebrum (Pars intercerebralis)-Corpora cardiaca-Corpora allata-Prothoraxdrüsen-Komplex der Insekten, bei dem die Pars intercerebralis des Protocerebrums als Kerngebiet Neurosekrete (Insektenhormone) axonal zu den Corpora cardiaca als Neurohämalorgan transportiert und die Prothoraxdrüse die untergeordnete, echte endokrine Drüse ist. Das von den Corpora cardiaca in die Hämolymphe abgegebene Sekret fungiert als Neurohormon. Bei Krebstieren entspricht dem Protocerebrum funktionell der Augenstiel-Y-Organ-Komplex mit bestimmten Kerngebieten, die Neurosekrete (Augenstielhormone) axonal zur Sinusdrüse, dem den Corpora cardiaca entsprechenden Neurohämalorgan, transportieren. Die untergeordnete endokrine Drüse ist hier das Y-Organ, das seine Informationen über Neurohormone aus der Sinusdrüse erhält. – Bei Wirbeltieren und Mensch ist das Hypothalamus-Hypophysen-System ein neuroendokrines System mit der Neurohypophyse als Neurohämalorgan. Neuroendokrine Systeme besitzen neben diesem efferent wirkenden, d.h. von Zentralnervensystem ausgehenden, Schenkel einen afferent wirkenden Schenkel, insofern die im Blut zirkulierenden Hormone zurück auf das Zentralnervensystem wirken und in seiner Aktivität gezielt beeinflussen. Efferente und (re-)afferente Wirkungen in neuroendokrinen Systemen sind vielfach zu Regelkreisen verschaltet. Im Hypothalamus-Hypophysen-System des Menschen führt z.B. die hypothalamische Freisetzung von Corticoliberin (CRH) und die darüber durch die Hypophyse stimulierte Freisetzung von Adrenocorticotropin (adrenocorticotropes Hormon, ACTH) als efferentes Signal zur Synthese und Freisetzung von Cortisol aus der Nebennierenrinde. Cortisol übt – neben vielfältigen Einflüssen in der Körperperipherie (Gluconeogenese, Immunsuppression) – als afferentes Signal negative Feedbackeinflüsse auf die Hypophyse und den Hypothalamus aus, die die weitere Freisetzung von CRH bzw. ACTH unterdrücken. Darüber hinaus wirkt Cortisol aber auch afferent auf übergeordnete Hirnstrukturen, wie den Hippocampus, und reguliert darüber höhere kognitive Funktionen, wie z.B. die Gedächtnisbildung, die durch das Glucocorticoid verschlechtert wird.
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