Lexikon der Neurowissenschaft: Oberschlundganglion
Oberschlundganglion s, Supraoesophagealganglion, Cerebralganglion, Zerebralganglion, E cerebral ganglion, supraesophageal ganglion, der über dem Schlund gelegene Gehirnteil (Gehirn) des Zentralnervensystems bilateraler, wirbelloser Tiere ( siehe Abb. ). Das Oberschlundganglion ist bei den Plattwürmern und den Rundwürmern noch sehr einfach gebaut, wohingegen es bei den Gliederfüßern zu seiner höchsten Entfaltung kommt. Dort setzt es sich zusammen aus einem großen Protocerebrum, einem kleineren Deutocerebrum und einem sehr kleinen Tritocerebrum, wobei den Spinnenartigen ein Deutocerebrum fehlt und die Homologisierung der drei Abschnitte zwischen den verschiedenen Gliederfüßer-Großgruppen nicht gesichert ist. – Das Protocerebrum ist Verschmelzungsprodukt des Ganglions des Akrons und des 1. Kopf-Segments (Prosocerebrum). Es besteht aus zwei Hemisphären, die seitlich in die optischen Loben übergehen (Lobus opticus). In den optischen Loben wird die visuelle Information aus den Komplexaugen verarbeitet. Rechter und linker Lobus opticus sind über die Augenkommissur verbunden. Zusätzlich zu den Komplexaugen besitzen die meisten adulten Insekten dorsale Ocellen, die in das posteriore mediane Protocerebrum projizieren. Prominente Gehirnstrukturen im Protocerebrum sind vor allem die paarigen Pilzkörper, die zwischen den beiden Pilzkörpern befindliche Protocerebralbrücke und der Zentralkörper. Unter den Pilzkörpern liegen, ebenfalls paarig angeordnet, die Tuberkel, die visuelle Eingänge aus den optischen Loben erhalten. Über auf- und absteigende Bahnen sind die beiden Hemisphären des Protocerebrums mit den segmentalen Bauchganglien verbunden. Funktionell ist das Protocerebrum Verarbeitungszentrum aller höheren Sinnesfunktionen sowie das entscheidende Steuerzentrum der meisten komplexeren Verhaltensweisen. – Das kleinere Deutocerebrum ist dem Protocerebrum eng angegliedert (primäres Syncerebrum) und bildet gemeinsam mit diesem eine Oberschlundkommissur. Im Deutocerebrum liegen der Antennenlappen und der Dorsallappen, die über den Antennennerv mit den Antennen verbunden sind. Der Antennenlappen ist Terminationsgebiet olfaktorischer Rezeptorneurone der Antennen, während in den Dorsallappen mechanosensorische Fasern projizieren. Der Dorsallappen enthält zudem Motoneurone der Antennen. – Das Tritocerebrum innerviert bei Krebstieren die zweiten Antennen, bei Spinnentieren die Cheliceren. Bei den Monantennata (Tracheata) fehlt die zu innervierende Extremität (d.h. die zweite Antenne). Bei Insekten ist das Tritocerebrum Ursprungsort der Frontalkonnektive und der Labralnerven. Die Frontalkonnektive stellen die Verbindung mit dem Frontalganglion her, welches vor dem Oberschlundganglion liegt und übergeordnetes Zentrum des stomatogastrischen Nervensystems ist. Das Tritocerebrum vereinigt sich ontogenetisch erst mit dem primären Syncerebrum, wenn das Stomodaeum (Vorderdarm) bereits eingestülpt ist. Dementsprechend bleibt seine Tritocerebralkommissur (dritte Kommissur) hinter dem Pharynx, den sie ventral als Schlinge umfaßt. Die vom Tritocerebrum abgehenden Konnektive stellen die Verbindung zum Unterschlundganglion her.
Oberschlundganglion
Dorsalansicht eines schematisierten Insektengehirns Das Oberschlundganglion ist durchsichtig gedacht, um die Verschaltungszentren erkennen zu können. Angedeutet sind außerdem die wichtigsten Zuführungen zum stomatogastrischen Nervensystem.
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