Lexikon der Neurowissenschaft: Pheromone
Pheromone [von griech. pherein = tragen, hormon = antreibend], Ektohormone, Ethohormone, Sozialhormone, Epheromons, chemische Botenstoffe mit Signalcharakter (z.B. Lockstoffe) zwischen Organismen einer Art ( siehe Abb. ). Sie dienen der Integration der Einzelindividuen innerhalb der Population. Pheromone beeinflussen das Sexualverhalten, Aggregationen, das Alarmverhalten und weitere Verhaltensweisen der Tiere. Sie werden nur in äußerst geringen Mengen produziert. Von den eigentlichen Hormonen unterscheiden sie sich dadurch, daß sie von exokrinen Drüsen (Pheromondrüsen, Duftdrüsen) in die Umgebung abgegeben werden und wesentlich stärker artspezifisch sind. Ebenso wie Metaboliten eines Hormons als Pheromone wirken können, dient unter Umständen eine Substanz innerhalb eines Individuums als Hormon und zwischen den Individuen dieser Art als Pheromon. Pheromone werden oft aus sekundären Stoffwechselprodukten der von den Tieren aufgesuchten Wirtspflanzen gebildet. Am besten untersucht sind die Insektenpheromone ( siehe Zusatzinfo ). Nach ihrer physiologischen Wirkung unterscheidet man schnell wirkende Signalpheromone (Releaser-Effekt) von (oral wirksamen) Primerpheromonen, die längerfristige Umstellungen im Hormon- und Nervensystem bewirken. Beispiele für Primerpheromone sind die Königinsubstanz der Honigbiene, welche die Ovarialentwicklung der Arbeiterinnen hemmt, als Sexuallockstoff auf Drohnen wirkt und das Schwarmverhalten reguliert, ferner die "Kastendeterminatoren" der Termiten, die je nach Populationszusammensetzung die Entwicklung männlicher oder weiblicher Geschlechtstiere unterdrücken, und die Pheromone der Wirbeltiere, die vermutlich als Androgenmetaboliten den Östruszyklus beeinflussen. Der Sexuallockstoff des Seidenspinners, das Bombykol, wurde erstmals 1959 von Butenandt und Mitarbeitern isoliert und rein dargestellt. Bei vielen anderen Insekten handelt es sich um artspezifische Duftgemische. Seitdem sind über 100 derartige Stoffe bei Insekten nachgewiesen worden, wobei Biosynthese, Rezeption und zentralnervöse Verarbeitung bisher wenig bekannt sind. Bei Tetrapoden kennt man einen speziellen Teil des olfaktorischen Systems, das vomeronasale Organ, welches sich zum Dach der Mundhöhle hin öffnet und insbesondere über die Zungenspitze für die Perzeption von Pheromonen zuständig sein soll. Allomone, Kairomone, Wehrsekrete, Alarmstoffe, chemische Sinne, Insektenhormone.
Pheromone
Chemisch handelt es sich bei den Pheromonen fast ausschließlich um nicht-isoprenoide oder isoprenoide, meist acyclische, gesättigte oder ungesättigte Alkohole oder deren Ester, Säuren oder deren Ester, Aldehyde oder Kohlenwasserstoffe. Als Vorläufer der nicht-isoprenoiden Verbindungen werden meist Fettsäuren angenommen. Zu dieser Gruppe gehören z.B. die meisten Sexualpheromone der weiblichen Nachtschmetterlinge, so das Bombykol (1) und das daneben noch vorkommende Bombykal des Maulbeerseidenspinners (Bombyx mori), das (Z)-9-Dodecenylacetat (2) des Traubenwicklers Parolobesia viteana oder das (Z)-9-Tetradecenylacetat (3), eine Komponente des Sexualpheromons der Eulenfalter-Arten Spodoptera frugiperda und Prodenia eridanis. Bei einigen Verbindungen dieser Gruppe, z.B. dem Bombykol, genügen oft schon wenige Moleküle, um beim Männchen eine Reaktion auszulösen. Aus Extrakten der Königinsubstanz der Honigbiene konnte (E)-9-Oxo-2-decensäure (4) als wirksames Pheromon isoliert werden. Diese Verbindung wurde auch aus anderen Bienen isoliert. Als Königinsubstanz der Hornisse (Vespa orientalis) konnte γ-Hexadecalacton (5) identifiziert werden. Der Geruch des abgebrochenen Stachels der Honigbiene lockt andere Bienen an. Dieses "Stachelpheromon" konnte als Isopentylacetat (6) identifiziert werden. Bei dem Sexualpheromon der Stubenfliege (Musca domestica) handelt es sich um (Z)-9-Tricosen (7). Wegen des großen volkswirtschaftlichen Schadens, den diese Insekten anrichten, sind die Pheromone der Borkenkäfer (Scolytidae) recht intensiv untersucht worden. Als Lockstoff des Borkenkäfers Ips paraconfusus konnte eine Kombination von Monoterpenalkoholen identifiziert werden, die aus (+)-cis-Verbenol (8), (8)-2-Methyl-6-methylen-7-octen-4-ol (Ipsenol, 9) und (+)-2-Methyl-6-methylen-2,7-octadien-4-ol (Ipsdienol, 10) besteht. Das Aggregationspheromon des Fichtenborkenkäfers (Ips typographus) konnte als das Diastereomerengemisch des 2-Ethyl-1,6-dioxaspiro[4.4]nonans (Chalcogran, 11) identifiziert werden. Ungewöhnlich sind stickstoffhaltige Pheromone. Derartige Verbindungen wie das Danaidon (12), deren Vorläufer allerdings von alkaloidführenden Pflanzen aufgenommen werden, kommen in Schmetterlingen aus der Familie der Danaiden vor.
Pheromone
Biogenese von Pheromonen aus Fettsäuren:
Die Pheromone der Insekten sind meistens konjugiert-ungesättigte C14-Alkohole oder deren Acetylester. Sie entstehen aus Palmitinsäure durch stufenweise Desaturierung, die durch lichtabhängige Neurohormonpeptide kontrolliert wird. Weitere Reduktion der Carboxyl- zur Hydroxylgruppe und deren Veresterung führen dann zu den biologisch wirksamen Verbindungen. Die Pheromone der Braunalgen-Gameten stellen ebenfalls ungesättigte Kohlenwasserstoffe dar. Diese werden aus den hochungesättigten, unkonjugierten Fettsäuren (Linolensäure) gebildet.
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