Lexikon der Neurowissenschaft: Propriorezeptoren
Propriorezeptoren [von latein. proprius = eigen, receptor = Empfänger], Propriozeptoren, Eproprioceptors, Mechanorezeptoren, die zur Wahrnehmung der räumlichen Lage und mechanischen Belastungen des eigenen Körpers, speziell des Muskel- und Skelettsystems dienen. Sie messen die Stellungen und Bewegungen der Gelenke und die Längen und Kräfte der Muskeln und Sehnen. Sie sind oft Meßfühler von Regelkreisen, die es erlauben, Körperstellungen zu kontrollieren und Bewegungen kontrolliert auszuführen. Bei den Wirbeltieren gehören Sehnenrezeptoren, Muskelspindel-Rezeptoren und Gelenkrezeptoren zu den Propriorezeptoren, auch die Rezeptoren der Gleichgewichtsorgane (Maculae und Cristae) können dazu gerechnet werden. Ferner kommt es zu einer Interaktion der Propriorezeptoren mit Exterorezeptoren: so geben z.B. bei der visuellen Wahrnehmung Propriorezeptoren eine Rückmeldung über die Blickrichtung und Bewegung der Augen ( siehe Zusatzinfo ). – Bei den Wirbellosen dienen unterschiedliche Strukturen der Propriorezeption: ganglionäre Rezeptoren (bei allen Arthropoden), Borstenfelder (Krebse und Insekten), Scolopidien (Insekten), Spaltsinnesorgane (Spinnen), campaniforme Sensillen (Spinnen und Insekten), Halteren (Schwingkölbchen) bei Dipteren. Auch bei Coelenteraten konnten propriorezeptive Strukturen in Form von Statocysten nachgewiesen werden.
Auftriebsstatoorganeder Wasserwanzen: Diese speziellen Schweresinnesorgane der Wasserwanzen sind bei den Larven am Abdomen lokalisiert und bestehen aus zwei paarigen, ventralen, mit Atemluft gefüllten Rinnen, die mit Deckborsten abgeschlossen sind. Zwischen dem dritten und sechsten Abdominalsegment sind die Deckborsten durch Sinneshaare ersetzt, welche bei horizontaler Lageveränderung des Tieres die Bewegung der Luftfüllung registrieren können. Bei den adulten Tieren sind die Rinnen verschwunden, die Sinneshaare liegen hier über den Öffnungen von Stigmen und registrieren die bei Bewegungen auftretenden Luftverlagerungen im Tracheensystem.
Propriorezeptoren
In seltenen Fällen kann der propriorezeptive Sinn auch ausfallen, wenn eine schwere, rein sensorische periphere Neuropathie (Polyneuropathie) die myelinisierten sensorischen Nervenfasern zerstört (nicht aber die motorischen). Eine solche Neuropathie zerstört die Propriorezeption und den Tastsinn, nicht aber den Schmerzsinn (Schmerz). Der Körper wird zu einem unempfindlichen "Werkzeug". Für jede zweckgerichtete Bewegung ist eine beständige visuelle Kontrolle und ein bewußtes Planen notwendig. Dies erfordert kontinuierliche Aufmerksamkeit, Konzentration und geistige Anstrengung; z.B. ist für das Sitzen auf einem Stuhl eine ständige bewußte Rückkopplung nötig, um nicht herunterzufallen. Zwar ist das Selbstmodell der proprioblinden Personen nicht ausgelöscht, weil sie ja auf propriorezeptive Informationen aus der Vergangenheit zurückgreifen können und sich ihrer Bewegungen durch andere Sinne noch bewußt sind (auch das vestibuläre System funktioniert noch, ebenso Rezeptoren der inneren Organe usw.). Aber die große Bedeutung des Körpersinns, dem normalerweise aufgrund seiner "Selbstverständlichkeit" kaum Beachtung geschenkt wird, zeigt sich bei seinem Ausfall doch auf eine sehr dramatische Weise. Auch eine Läsion des primären somatosensorischen Cortex (insbesondere Brodmann-Areale 3a und 3b) kann die Propriorezeption beeinträchtigen.
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