Lexikon der Neurowissenschaft: Psychoanalyse
Psychoanalysew [von griech. psyche = Hauch, Seele; analyein = auflösen],E psychoanalysis, von S. Freud begründete Disziplin, die dazu dient, Entwicklung und Wirkungsweise psychischer Vorgänge zu untersuchen und die Erkenntnisse für die Behandlung psychischer Erkrankungen und für das Verständnis kultureller und sozialer Phänomene nutzbar zu machen. Wesentlich ist die Beschäftigung mit dem verborgenen Sinngehalt psychischer Phänomene (Handlungen, Reden, Gedanken, Gefühle, Träume) und mit deren unbewußter Bedeutung. In der Psychoanalyse als therapeutischer Methode wird dieser Sinngehalt durch die freie Assoziation (Assoziationstests) des Patienten und deren Gegenstück, die gleichschwebende Aufmerksamkeit des Analytikers, sowie durch die Übertragung zugänglich und durch Deutungen wieder bewußt gemacht. Die Psychoanalyse geht dabei von einer Konzeption der seelischen Vorgänge aus, in der Triebe, Wunsch und Abwehr, verschiedene psychische Instanzen (Ich, Es, Über-Ich), Erregungszufuhr, -verarbeitung und -abfuhr, unbewußte und bewußte Strebungen in einem dynamischen Spannungsverhältnis stehen. Die psychoanalytische Behandlungstechnik hat sich dahingehend verändert, daß heutzutage Deutungen der Übertragungsbeziehung im Zentrum stehen, während die Rekonstruktion der prägenden Einflüsse der Vergangenheit (genetische Deutungen) etwas zurückgetreten ist. Neben der klassischen Psychoanalyse (4-5 h/Woche im Liegen) wurde eine Vielzahl von Behandlungstechniken entwickelt, die auf psychoanalytischen Erkenntnissen aufbauen. Psychoanalyse als umfassende Theorie der psychischen Entwicklung beschäftigt sich auch mit dem engen Wechselspiel von biologisch-somatischen Prozessen, Interaktionen zwischen dem Individuum und seiner Umwelt und deren mentalen Repräsentationen (Objektrepräsentanzen; siehe Zusatzinfo ). Psychiatrie.
Lit.:Loch, W.: Die Krankheitslehre der Psychoanalyse. Stuttgart 1989. Etchegoyen, H.: The fundamentals of psychoanalytic technique. New York 1991.
Psychoanalyse
Psychoanalyse und Neurowissenschaft:
Die kognitive Neurowissenschaft und die moderne Neurobiologie stellen heute eine wesentliche Herausforderung für die Psychoanalyse dar. So haben z.B. neue Erkenntnisse zu Gedächtnis und Lernen Auswirkungen auf die Psychoanalyse, die sich ja zentral mit Erinnerungen und deren Schicksalen beschäftigt. Neurowissenschaftliches und psychoanalytisches Denken schließen sich nicht aus: Z.B. hat das Konzept der neuronalen Netzwerke im Gehirn Ähnlichkeit zu den Freudschen Vorstellungen von assoziativen Verbindungen von Erfahrungen, und die Unterscheidung von explizitem und implizitem Gedächtnis kommt der psychoanalytischen Differenzierung von bewußten und unbewußten Erfahrungen nahe. Die klinischen Wirkungen der psychoanalytischen Therapie könnten mit der Plastizität im Nervensystem korreliert werden, z.B. durch die Vorstellung, daß die in der Therapie mobilisierten starken Emotionen neuronale Reaktionsmuster langfristig verändern. Andere neurowissenschaftliche Erkenntnisse, z.B. das Fehlen symbolhaften Denkens in den ersten Lebensmonaten, sind allerdings Voraussetzungen der Psychoanalyse entgegengesetzt.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.