Lexikon der Neurowissenschaft: Schlüsselreiz
Schlüsselreiz m, Schlüsselsignal, Ekey stimulus, ethologische Bezeichnung für Reize, die bei einem Tier über einen angeborenen auslösenden Mechanismus (AAM) wirken und dadurch ein Verhalten auslösen oder aufrechterhalten bzw. die Orientierung eines Verhaltens oder die Bereitschaft zu einem Verhalten verändern (Orientierungsreize, motivierende Reize). Der Begriff Schlüsselreiz leitet sich von der Vorstellung ab, ein AAM filtere alle eingehenden Reize, bis ein Reiz bzw. Reizmuster die genaue "Paßform" habe. Neurobiologisch ist anzunehmen, daß das Erkennen eines Schlüsselreizes Ergebnis einer komplexen Leistung zentralnervöser Informationsverarbeitung ist. Im Unterschied zu relevanten Reizen schlechthin ist der Schlüsselreiz genetisch determiniert (angeborenermaßen) einer Handlung oder Bereitschaft zugeordnet, d.h., die Zuordnung muß nicht erworben werden. Stammesgeschichtlich besonders entwickelte soziale Schlüsselreize, die eine unmißverständliche Kommunikation ermöglichen sollen, werden auch Auslöser genannt; an ihnen wurde das Phänomen zuerst untersucht (Attrappenversuch). Aber auch jeder andere angeborenermaßen verhaltenswirksame Reiz muß als Schlüsselreiz gelten; z.B. lösen einige Aminosäuren über einen sehr einfachen Mechanismus das Beutefangverhalten und Fressen von Süßwasserpolypen aus. Auch beim Menschen gibt es funktionierende angeborene auslösende Mechanismen und dazugehörige Schlüsselreize (Klammerreflex, Kindchenschema, Mimik), deren Wirkungen allerdings von höheren Verhaltensebenen aus kontrollierbar und eventuell veränderbar sind ( siehe Zusatzinfo ). Häufig wird das Wort Signalreiz synonym mit Schlüsselreiz benutzt, wenngleich damit eigentlich im Sinne aktiver Kommunikation ein gesendetes Zeichen an einen Adressaten gemeint sein sollte. Demgegenüber weist der heute bevorzugte Begriff des Kennreizes darauf hin, daß der ein bestimmtes Verhalten auslösende Reiz vom Empfänger erkannt wird, unabhängig davon, ob er aktiv gesendet wurde oder in einer Reizkonfiguration enthalten ist.
Schlüsselreiz
Schlüsselreize beim Menschen:
Auch beim Menschen spielen Schlüssel- bzw. Kennreize in verschiedenen Funktionskreisen eine nicht zu unterschätzende Rolle. So wird die Geschlechtszugehörigkeit Erwachsener wahrscheinlich anhand von Schlüsselreizen erkannt, z.B. anhand des Verhältnisses von Schulter- und Hüftbreite, der abgerundeten Formen bei der Frau im Vergleich zu den mehr kantigen männlichen Konturen (Ursache ist eine verschiedene Verteilung des Unterhautfettes) usw. Es scheint auch akustische (Stimmlage) und geruchliche Schlüsselreize zu geben; alle können auch Schlüsselreize für die Auslösung sexueller Verhaltenstendenzen werden. Welche dieser Reize jedoch als besonders sexuell aufreizend empfunden werden, hängt von kulturellen Gegebenheiten und damit von Lernvorgängen ab; z.B. spielt die weibliche Brust als "Sexualsignal" in Europa eine größere Rolle als in Schwarzafrika oder Ozeanien.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.