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Lexikon der Neurowissenschaft: Temperatursinn

Temperatursinn m, Wärmesinn, Thermorezeption, Etemperature perception, die Fähigkeit von Tieren und Mensch, Unterschiede bzw. Änderungen der Umgebungstemperatur wahrzunehmen. Der Temperatursinn ist für die Organismen von großer Bedeutung, da das Temperaturintervall, in dem tierisches und menschliches Leben möglich ist, relativ klein ist. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, können insbesondere wechselwarme Tiere nur in einem Bereich von ca. 0 °C bis etwa 50 °C aktiv sein. Bei Temperaturen unter 0 °C fallen die Tiere in eine Kältestarre, aus der sie wieder erwachen können, wenn die Temperatur nicht zu stark absinkt, d.h. den Kältetod zur Folge hat. Der Hitzetod tritt in der Regel bei Temperaturen oberhalb 50 °C ein. Für gleichwarme Tiere (Homoiothermie) liegen die Verhältnisse anders, da diese sich durch endogene Temperaturregulation von der Außen-Temperatur weitgehend unabhängig gemacht haben. Vermutlich verfügen alle Tiere über Temperatur- oderThermorezeptoren, wenngleich diese nur in wenigen Fällen bekannt sind. In der menschlichen Haut gibt es kleinflächige Regionen, deren Rezeptoren entweder auf Kälte (Kälterezeptoren, Kältepunkte, Kaltpunkte;siehe Abb. 1 ) oder auf Hitze (Wärmerezeptoren, Wärmepunkte, Warmpunkte, Hitzepunkte) besonders sensibel reagieren, wobei deren Verteilung auf der Körperoberfläche unterschiedlich ist. So besitzt der Mensch auf der Zunge 16-19 Kältepunkte/cm2, auf der Handfläche aber nur ein bis fünf. Die Wärmepunkte sind meist seltener und fehlen in vielen Regionen. Temperaturen über 45-50 °C werden nicht als Hitze, sondern als Schmerz empfunden. Über das Vorkommen von Temperaturpunkten bei anderen homoiothermen Organismen weiß man sehr wenig, wie auch die genauere Morphologie der Temperaturrezeptoren – abgesehen davon, daß es sich meist um Sinnesnervenzellen handelt – weitgehend unbekannt ist. Bei Säugetieren dienen vermutlich die Krause-Endkolben ( siehe Abb. 2 ) und die Ruffini-Rezeptoren dem Temperatursinn (zusätzlich zu ihren mechanorezeptiven Eigenschaften). Weiterhin spielen freie Nervenendigungen eine Rolle bei der Temperaturperzeption: so fehlen z.B. in der sehr temperaturempfindlichen Zunge der Katze sowohl Krause-Endkolben als auch Ruffini-Körperchen. Fische, Amphibien und Reptilien verfügen ebenfalls über auf der ganzen Körperoberfläche verteilte Kalt- und Warmpunkte, wobei die Areale um Mund bzw. Kiemen besonders empfindlich sind. Als Rezeptoren fungieren ebenfalls freie Nervenendigungen. Besondere Temperatursinnesorgane stellen die paarigen, zwischen Augen- und Nasenöffnung gelegenen Grubenorgane der Grubenottern (insbesondere Klapperschlangen) und die Lippenorgane der Riesenschlangen dar. In den Grubenorganen befindet sich eine stark durchblutete und vom Trigeminus reichlich innervierte Membran, die in den Lippenorganen fehlt. Hier ist der Grubengrund stark innerviert und durchblutet. Der adäquate Reiz für diese Organe stellt die von einem Objekt ausgehende Wärmestrahlung dar, wobei Wellenlängen zwischen 1 und 3 μm bis hin zum Infrarot perzipiert werden können (Infrarotsehen). Dabei arbeiten die Organe nicht wie Photorezeptoren, da die Thermorezeptoren (Infrarotrezeptoren) auf die durch Wärmestrahlung hervorgerufenen Temperatur-Änderungen in den Organen reagieren, wobei noch Temperatur-Unterschiede von 3/1000 °C wahrgenommen werden können. Durch diese enorme Empfindlichkeit, die paarige Anordnung der Organe und die Verteilung der Rezeptoren in den Organen ist eine genaue Richtungslokalisation möglich, welche die Schlangen auch bei vollständiger Dunkelheit zum Beutefang befähigt. Über ebenso leistungsfähige Temperatursinnesorgane verfügen die australischen Großfußhühner: sie legen ihre Eier in Hügel aus Sand und organischem Material. Die Brutwärme wird durch Sonneneinstrahlung und Gärprozesse erzeugt. Durch Einführen des Schnabels wird die Wärmeentwicklung gemessen ("Thermometerhuhn") und durch Abtragen oder Vergrößern des Hügels oder durch Erzeugen und Verschließen von Öffnungen auf 33 ± 1 °C konstant gehalten, obwohl die Außentemperaturen zwischen -8 °C und +44 °C schwanken können. Mechanorezeptoren.



Temperatursinn

Abb. 1: Verteilung der Kältepunkte auf der Rückseite des 4. und 5. Fingers

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