Lexikon der Neurowissenschaft: Tetanustoxine
Tetanustoxine [von griech. tetanos = Spannung, Starrkrampf, toxikon = Gift], E tetanotoxins, thermolabile Exotoxine, die durch Clostridium tetani bei anaeroben Wundinfektionen (Tetanus) gebildet werden. Tetanospasmin (das eigentliche Tetanustoxin) wirkt ausschließlich auf Nervenzellen (Neurotoxin) und ist nach dem Botulinustoxin das zweitstärkste Bakterientoxin (10-4 μg töten eine weiße Maus innerhalb von 2 Tagen). Durch Formalin kann es in ein ungiftiges Toxoid überführt werden, das zur Herstellung von Impfstoffen dient. Das Toxin wird in der Bakterienzelle gebildet und teils durch Sekretion, teils bei der Autolyse der Zelle freigesetzt. Es gelangt durch Endocytose in die Neuronen, wo es in Vesikeln entlang der motorischen, sensiblen und auch vegetativen Nervenbahnen zu den Vorderhörnern des Rückenmarks transportiert wird. Dort und im Hirnstamm kann eine Anreicherung stattfinden. Sobald das Tetanustoxin an die Nervenzellen gebunden ist, kann es nicht mehr mit Antitoxin neutralisiert werden. Die Antitoxine gelangen auch kaum ins Zentralnervensystem: zu spät verabreichtes Tetanus-Antitoxin ist daher wirkungslos. Tetanustoxin verhindert die Freisetzung der inhibitorischen Transmitter Glycin und GABA ( siehe Zusatzinfo ). Die dadurch hervorgerufene Beeinflussung des motorischen Systems und der vegetativen Reflexbahnen führt zu einem erhöhten Tonus der Muskulatur. Kau-, Nacken- und Rückenmuskulatur werden von Steifheit befallen (Starrkrampf). In schweren Fällen tritt durch Lähmung der Schlundmuskulatur, des Zwerchfells und der Glottis der Erstickungstod ein. Clostridienneurotoxine, Neurotoxine (Abb.).
Tetanustoxine
Wirkungsmechanismus:
Das von den Bakterien freigesetzte Protein wird durch Spaltung in 2 Untereinheiten (über Disulfidbrücken verbunden) aktiviert. Die schwere Untereinheit bildet einen Kanal durch die Vesikelmembran aus, durch den die leichte Untereinheit des Toxins ins Cytoplasma der Nervenzelle gelangt und durch Interaktion mit den synaptischen Vesikeln die Exocytose des Transmitters verhindert. Dies geschieht wahrscheinlich durch Zerstörung von Synaptobrevin. Botulinustoxin besitzt denselben Wirkungsmechanismus wie Tetanustoxin. Die unterschiedlichen Wirkungen von Tetanustoxin (Krampfanfälle) und Botulinustoxin (Lähmungen) sind deshalb wahrscheinlich nur auf den unterschiedlichen Wirkungsort der Toxine (Tetanustoxin im Rückenmark, Botulinustoxin lokal in den Neuronen) zurückzuführen, der durch die schwere Untereinheit des Tetanustoxins bedingt wird.
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