Lexikon der Optik: adaptive Optik
adaptive Optik, eine Entwicklungsrichtung der modernen Hochleistungsoptik, die Elemente aus der Optik und der Elektronik miteinander kombiniert. Aufgabe eines adaptiv-optischen Systems ist die Echtzeitkontrolle und Veränderung von Parametern des optischen Wellenfeldes in einem optischen System mit dem Ziel, eine möglichst große Leistungsfähigkeit des Systems bei Auftreten von Störungen zu gewährleisten.
Zeitlich und örtlich veränderliche Störungen im Lichtweg können zum bestimmenden Faktor für die Leistungsfähigkeit eines optischen Systems werden. Beispiele: das Winkelauflösungsvermögen astronomischer Teleskope ist durch atmosphärische Turbulenzen begrenzt; bei der Komposition eines großen Teleskops aus mehreren kleinen ist eine phasenrichtige Kopplung der Teilsysteme erforderlich; große Teleskope im Weltraum verändern sich durch wechselnde thermische und gravitative Belastungen; die Wellenfronten (elektromagnetische Welle) in Hochleistungslasersystemen werden durch thermische Effekte in den optischen Komponenten deformiert. Die Kompensation derartiger Störungen ist Gegenstand der a. O.
Ein System der a. O. beinhaltet einen geschlossenen Regelkreis mit Elementen folgender Funktion: Messung von charakteristischen Kenngrößen des Systems, Ableitung von Korrekturdaten daraus, Korrektur. Korrigiert wird im allgemeinen nur die Phase der Lichtwellen, jedoch nicht deren Amplitude.
Wichtige Aufgaben der a. O. sind die Fokussierung des Lichtes auf ein Target und die optimale optische Abbildung eines Objekts.
Systeme zur Lichtkonzentration arbeiten gewöhnlich mit monochromatischem Licht, meist Laserstrahlung. Das Licht durchläuft dabei ein Medium, in dem es Störungen erfährt. Als Meßgröße für den Regelkreis wird die von einer kleinen Fläche des Targets reflektierte sphärische Welle verwendet.
Bei der Phasenkonjugation (Abb. 1) werden die Wellenfrontabweichungen des den gleichen Weg zurücklaufenden Anteils der sphärischen Welle gemessen. Dieser Reflex wird in gleicher Weise durch die Störungen beeinflußt wie die auf das Target treffende Welle, so daß die gemessenen Abweichungen denen der einfallenden Welle entsprechen. Mit der konjugierten (d.h. dem Vorzeichen nach entgegengesetzten) Phase der ermittelten Wellenfrontabweichungen wird die einfallende Welle vordeformiert. Die Störungen kompensieren dann die Vorverzerrung genau zu der korrekten Wellenfront. Diese Methode der Phasenkonjugation basiert auf der optischen Reziprozität (die Vertauschbarkeit von Bild und Objekt) und ist nur bei Störungen in linearen Medien anwendbar.
Bei der Aperturmarkierung (Abb. 2) wird die Apertur des optischen Systems in kleine Gebiete unterteilt. In jeder Subapertur wird die einfallende Wellenfront durch Testverzerrungen deformiert, und die Auswirkungen auf die gemessene Intensität des Reflexes werden registriert. Verzerrungen, die zur Erhöhung der Intensität führen, werden beibehalten. Dieser Prozeß wird iterativ bis zum Erreichen eines Intensitätsmaximums fortgeführt.
Aufgabe adaptiv-optischer Systeme zur Erhöhung der Bildqualität (Abb. 3) ist es, das bestmögliche Bild eines Objekts zu erhalten, wenn das vom Objekt ausgehende Licht auf seinem Wege gestört wird, wie es z.B. bei astronomischen Beobachtungen mit einem Teleskop durch die turbulente Erdatmosphäre hindurch der Fall ist. Die abzubildenden Objekte sind in der Regel selbstleuchtend und erzeugen eine inkohärente Strahlung.
Das der Wellenfrontkompensation zugrunde liegende Prinzip ist analog zu dem der Phasenkonjugation. Das Objekt kann als aus einer Vielzahl unaufgelöster Punktlichtquellen bestehend aufgefaßt werden, von denen sphärische Wellen ausgehen, die auf ihrem Wege deformiert werden. Durch Messung mit einem Wellenfrontsensor werden die lokalen Abweichungen der Wellenfront von der idealen sphärischen Welle ermittelt, und aus ihnen wird ein Signal für die Korrektur im Wellenfrontkorrektor abgeleitet.
Die Technik der Bildschärfeverbesserung kann als Analogon zur Aperturmarkierung betrachtet werden. Der durch die Testverzerrungen erzielte Effekt wird durch einen Sensor in einer der Bildebene entsprechenden Ebene gemessen. Als Kriterium für die Optimierung der Bildschärfe werden Größen wie das Integral des Quadrates der Bildintensität über die Bildfläche herangezogen.
Die Leistungsfähigkeit eines Systems der a. O. hängt von der Genauigkeit und der räumlichen Auflösung der Wellenfrontbestimmung und -korrektion sowie von der Reaktionszeit des Regelkreises im Vergleich zu den Zeitkonstanten der Störungen ab. Für eine Kompensation atmosphärischer Turbulenzen ist beispielsweise eine Reaktionszeit von ca. 5 ms erforderlich.
Die Ausnutzung nichtlinearer optischer Effekte wie Vierwellenmischung, induzierte Brillouin-Streuung und Raman-Streuung ermöglicht eine nichtlineare Phasenkonjugation. Der Vorteil gegenüber linearen Systemen besteht darin, daß Wellenfrontmessung, Ableitung der Korrekturdaten und Korrektur von dem (mit Laserlicht gepumpten) nichtlinearen Medium automatisch in Echtzeit vorgenommen werden. Dabei werden an die Pumplichtquelle und das nichtlineare Medium hohe Ansprüche gestellt. Nichtlineare Phasenkonjugation kann bei Laserverstärkern dazu verwendet werden, die mit der Verstärkung normalerweise einhergehende deutliche Verschlechterung der Strahlqualität zu vermeiden. Man läßt zu diesem Zweck das zu verstärkende Licht nach einmaligem Passieren des aktiven Mediums von einem phasenkonjugierenden "Spiegel" reflektieren und das aktive Medium erneut durchlaufen. Dabei wird die beim ersten Durchgang entstandene Wellenfrontdeformation vollständig wieder rückgängig gemacht. Nach diesem Prinzip können Hochleistungslaseranlagen aufgebaut werden, bei denen eine Strahlqualität erreicht wird, die mit der eines Einmodenlasers vergleichbar ist. In ähnlicher Weise läßt sich das in der laserinduzierten Kernfusion auftretende Problem der Fokussierung der Strahlung auf ein winziges Target sehr elegant dadurch lösen, daß man das Target mit einem Probestrahl beleuchtet und einen Teil des dadurch erzeugten Streulichts durch die (Laser-) Verstärkeranlage hindurch auf einen phasenkonjugierenden "Spiegel" fallen läßt (Abb. 4). Dort wird das Licht reflektiert, durchläuft erneut den Verstärker und wird dann automatisch auf das Target fokussiert.
In linearen Systemen sind die drei Komponenten des Regelkreises im allgemeinen getrennt. Mögliche Verfahren zur direkten Wellenfrontanalyse sind: Heterodyninterferometrie, Shearinginterferometrie, Phasenkontrastverfahren, Hartmann-Test (Wellenfrontsensoren). Eine indirekte Bewertung der Wellenfront kann anhand von Größen vorgenommen werden, die für ein optimiertes System einen Extremwert annehmen, wie Reflexintensität, oder eine Bildschärfefunktion.
Zur Wellenfrontkorrektur oder zur Einführung von Testverzerrungen müssen in den Subaperturen Phasen- und/oder Richtungsänderungen der Wellenfront ausführbar sein. Dafür können Anordnungen eingesetzt werden, die aus akustooptischen Deflektoren (Debye-Sears-Effekt) bestehen oder aus Kristallen, deren Brechzahl sich elektrisch verändern läßt (elektrooptische Effekte). Da Änderungen in transmittierenden Systemen im allgemeinen wellenlängenabhängig sind, werden meist Spiegel eingesetzt, die z.B. piezoelektrisch oder elektrostatisch gesteuert ihre Gestalt verändern können. Die Spiegelfläche kann kontinuierlich als dünne Platte oder Membran ausgebildet sein oder aus einzelnen Segmenten bestehen. Eine hohe räumliche Dichte einzelner Deflektorelemente ist durch Mikrostrukturierung erreichbar. Arbeitsfrequenzen von mehr als 20 kHz wurden für Spiegel bereits erzielt. Die Zuordnung der eingeführten Testverzerrungen zu den Subaperturen wird durch sequentielles Arbeiten oder durch Markierung mit unterschiedlichen Frequenzen erreicht. Bei örtlicher Frequenzmarkierung muß die Modulationsfrequenz in jeder Subapertur noch deutlich höher sein als die durch die Reaktionszeit des Gesamtsystems bestimmte Frequenz.
Für Systeme der a. O. ergeben sich folgende Anwendungsmöglichkeiten: Erhöhung der Lichtstärke astronomischer Teleskope durch Verwendung segmentierter Teleskopspiegel; Erhöhung der Winkelauflösung von Teleskopen durch Kompensation der atmosphärischen Turbulenzen; Kompensation der Wellenfrontaberrationen in Hochleistungslaseranlagen und bei der Lasermaterialbearbeitung; Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses bei der Laserkommunikation; Kompensation von Deformationen in Weltraumteleskopen. Eine erhöhte Lichtkonzentration ermöglicht bei geringen Lichtintensitäten, das Auflösungsvermögen hochauflösender Spektrometer zu verbessern.
Besondere Einsatzmöglichkeiten nichtlinearer Systeme der a. O. sind: Kompensation von Phasenverzerrungen in Laserresonatoren, Kompensation der Modendispersion in Mehrmodenfasern bei der Bildübertragung, kontaktlose und linsenfreie Projektionslithographie (Phasenkonjugation) und Bildverstärkung.
Adaptive Optik 1: Lichtkonzentration auf ein Target durch Phasenkonjugation.
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