Lexikon der Optik: Fernerkundung
Fernerkundung (engl. remote sensing), Informationsgewinnung über entfernte, in der Regel auf der Erdoberfläche befindliche Objekte mittels elektromagnetischer Strahlung. Daher wird die F. auch als Erdbeobachtung bezeichnet. Elektromagnetische Strahlung wird von Quellen wie Sonne oder Erde ausgesandt, breitet sich in der Atmosphäre aus, tritt in Wechselwirkung mit den atmosphärischen Teilchen und mit der Erdoberfläche und wird von Sensoren innerhalb oder außerhalb der Atmosphäre aufgezeichnet. Die entsprechenden Daten werden in analoger und/oder digitaler Form gespeichert. Mittels eines geeigneten Systems zur Datenanalyse und -ausgabe erfolgt eine Bearbeitung, Klassifikation und Visualisierung der Bilddaten. Passive Systeme der F. zeichnen elektromagnetische Strahlung auf, die von der Erdoberfläche reflektiert und/oder emittiert wird. Aktive Systeme wie Radar oder Laser (Lidar) senden kohärente Strahlungspulse aus und registrieren die Laufzeit bzw. die Amplituden- und Phasendifferenz der von der Erdoberfläche rückgestreuten/reflektierten Signale.
Die Atmosphäre vermindert die Intensität der Sonnenstrahlung durch Streuung und Absorption in Abhängigkeit von der Größe der Streupartikel und der Wellenlänge λ (Extinktion). Große Transparenz besteht in sogenannten atmosphärischen Fernstern im sichtbaren Bereich des Spektrums, im nahen, mittleren und thermischen (Wellenlängenbereich von ca. 8 bis 12 μm) Infrarot sowie in hohem Maße im Mikrowellenbereich. Atmosphärische Korrekturen der Bilddaten sollen störende Einflüsse infolge Extinktion minimieren.
Bei Wechselwirkung der Strahlung mit der Erdoberfläche werden je nach Art der Landbedeckung gewisse Strahlungsanteile reflektiert, andere absorbiert. Die Variation der Reflexion in Abhängigkeit von der Wellenlänge wird objektspezifische spektrale Signatur genannt. Sie ist Kenngröße für die spektrale (thematische) Differenzierbarkeit von Objekttypen.
Sensoren zeichnen spektrale Strahldichtewerte als Funktion von Zeit, Ort und Oberflächenart auf. Geeignete Methoden der Datenerfassung und -speicherung ermöglichen die topographische und thematische Charakterisierung des erfaßten Geländeausschnittes. Sensoren besitzen begrenzte radiometrische, spektrale und geometrische Auflösung. Multispektrale Meßkameras mit spektraler Auflösung im Sichtbaren und im nahen Infrarot nehmen photographische (analoge) Bilder auf, während Scanner, Radiometer und Spektrometer mit spektraler Auflösung im Sichtbaren, im nahen, mittleren und thermischen Infrarot sowie im Mikrowellenbereich und Radarantennen mit spektraler Auflösung im Mikrowellenbereich digitale Bilder in Form von zeilen- und spaltenweise angeordneten grauwertcodierten Bildelementen (picture elements, pixels) aufzeichnen. Träger-Plattformen für die jeweiligen Sensoren können Stative, Flugzeuge oder Satelliten sein (Abb.).
Systeme zur Verarbeitung und Analyse der Bilddaten beruhen auf einer jeweils spezifischen Konstellation Experte – Hardware – Software. Bei visueller Interpretation analoger photographischer Bilder dominiert das geschulte Wahrnehmungsvermögen des Experten (Referenzniveau) gegenüber dem Leistungsvermögen analoger optischer Bildauswertegeräte wie Spiegelstereoskope oder Interpretoskope. Hauptaugenmerk wird in diesem Falle auf die visuelle stereoskopische Interpretation von Bildpaaren gelegt. Bei der digitalen multispektralen und texturellen Klassifikation von Bildern dominiert der Hardware- und Softwareanteil, ohne daß die Intervention des Experten an Bedeutung verliert. Typische Hardware-Software-Konfigurationen sind graphische Computer-Arbeitsplätze auf der Basis von Personal Computern oder Workstations mit großer Speicherkapazität, hoher Datenverarbeitungsrate, hochauflösender Graphik sowie ausreichender Input- und Output-Peripherie für Einlesen und Drucken bzw. Plotten von Bilddaten.
Wichtigste Ziele der Bildanalyse in der F. sind Bildverbesserung, geometrische Rektifizierung (Geokodierung), Klassifizierung nach multispektralen, textur- und musterabhängigen Parametern, Einbeziehung von Expertenwissen, multitemporale Vergleiche sowie Integration in geographische Informationssysteme (GIS).
Produkte der F. der Erde sind (geokodierte) originäre oder klassifizierte Bilddaten in digitaler und/oder analoger Form (Orthobild), meist als kombinierte Bild-Strich-Karten mit Koordinatenbezug, des weiteren flächenbezogene Statistiken in Tabellen- oder Diagrammform sowie objektspezifische spektrale Signaturkataloge. Aktuelle Trends in der F. gehen einerseits in Richtung einer Operationalisierung, d.h. eines langfristig kontinuierlichen Betriebes geometrisch hochauflösender satellitengestützter Sensorsysteme (CCD-Arrays, Zeilenkameras) mit einer Ortsauflösung Δx≤1 m und hyperspektraler Scanner (imaging spectrometers) mit einer spektralen Auflösung Δλ≤10 nm, andererseits in Richtung einer verstärkten Nutzung wissensbasierter Bildanalyseverfahren.
Fernerkundung: Fernerkundung der Erdoberfläche. hg Flughöhe über Grund.
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