Lexikon der Optik: Heterophorie
Heterophorie, Differenz zwischen der Orthostellung und der bei Aufhebung der Fusion gefundenen Vergenzstellung der Augen. H. werden auch als latenter Strabismus bezeichnet, sie sollten aber nicht mit einem manifesten Strabismus verwechselt werden. H. können nach der Richtung der Abweichung der Augen klassifiziert werden. Horizontalphorien mit Abweichungen nach innen werden als Esophorie, mit Abweichung nach außen als Exophorie bezeichnet. Diese H. können bei einer Person bei Nah- und Fernfixation unterschiedlich sein. Vertikalphorien umfassen Hyperphorien und Hypophorien. Bei einer Hypophorie steht das abweichende Auge höher, bei Hyperphorien tiefer. Die Verrollung beider Augen um Achsen, die in etwa mit den Fixierlinien zusammenfallen, wird Zyklophorie genannt. Eine Inzyklovergenz liegt vor, wenn sich die Vertikalmeridiane oben aufeinander zu bewegen (A-Stellung). Bei einer Exzyklophorie bewegen sich die Vertikalmeridiane oben voneinander weg (V-Stellung).
Die H. läßt sich anhand des Abdecktestes bestimmen. Während ein Fixationspunkt binokular angeblickt wird, wird ein Auge abgedeckt. Dieses wird, da nun kein Fusionsreiz mehr vorhanden ist, bei Vorliegen einer H. aus der Ausgangsstellung abweichen. Bleibt die Lage des Auges unverändert, liegt Orthophorie vor. Wird die Abdeckung entfernt, wird das abgedeckte Auge eine Ausgleichsbewegung durchführen, damit der Fixationspunkt wieder bifoveolär fixiert wird. Anhand dieser Ausgleichsbewegung wird die H. klassifiziert. Bei Vorliegen einer Exophorie wandert das Auge unter der Abdeckung nach temporal ab, die entsprechende Ausgleichsbewegung nach Aufheben der Abdeckung ist dann eine Adduktion. Daher ergeben sich aufgrund der Ausgleichsbewegungen folgende Zusammenhänge:
Abduktion – Esophorie,
Adduktion – Exophorie,
Infraduktion – Hyperphorie,
Supraduktion – Hypophorie,
Inzykloduktion – Exzyklophorie,
Exzykloduktion – Inzyklophorie.
Rund 70 bis 80% aller Menschen haben eine H., jedoch ist sie meist beschwerdefrei. Asthenopische Beschwerden (Kopf-, Stirn-, Augendruck oder -schmerz, Lichtscheu, Schwindel, Unschärfe des Sehens usw.) treten in rund 10% aller Fälle auf.
Eine H. kann auf refraktive Ursachen (Kopplung von Akkommodation und Konvergenz), anatomische Besonderheit in der Augenhöhle oder neurogene Ursachen zurückzuführen sein.
Eine assoziierte H. liegt vor, wenn bei der Heterophorieprüfung nur Teile des Gesichtsfeldes dissoziiert, d.h. getrennt dargeboten werden, während der Rest fusioniert wird (Fusionsverriegelung). Diese H. wird unter Verwendung von polarisiertem Licht (Polatest, Turville-Test) bestimmt. Eine dissoziierte H. wird bei vollständiger Trennung beider Augen (Covertest, Maddox-Test, von-Graefe-Test) diagnostiziert.
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