Lexikon der Optik: kohärente Wechselwirkung
kohärente Wechselwirkung, Prozeß der gegenseitigen Beeinflussung von Materie und intensiver, kohärenter elektromagnetischer Strahlung, in dessen Verlauf sich im Medium eine makroskopische Polarisation (definiert als die Summe der in der Volumeneinheit befindlichen atomaren bzw. molekularen Dipolmomente) ausbildet, die wiederum auf das Strahlungsfeld zurückwirkt. Nach Abschalten des letzteren sendet die Polarisation selbst einen Strahlungsimpuls aus. Die Effekte der k. W. wurden zuerst in der Hochfrequenzspektroskopie gefunden. Dank der Entwicklung der Laser ist es gelungen, sie auch im optischen Frequenzbereich zu beobachten. In letzterem Falle liegt ihnen folgender physikalischer Mechanismus zugrunde: Ein monochromatisches Strahlungsfeld induziert bei Vorliegen von Resonanz an den Atomen bzw. Molekülen des Mediums elektrische Dipolmomente, die mit der Lichtfrequenz oszillieren. Es stellt sich dabei eine definierte Phasenbeziehung zwischen den individuellen Dipolschwingungen und dem Strahlungsfeld ein, so daß die ersteren sich zu einer makroskopischen Polarisation aufsummieren. Nach Beginn der Wechselwirkung wächst die Amplitude der Dipolschwingung zunächst an (Abb. 1), und zwar um so stärker, je größer die Intensität des Feldes ist. An dem induzierten Dipolmoment leistet das Feld andererseits Arbeit, d.h., es wird Licht absorbiert, wobei man sich den Absorptionsvorgang als einen stetigen Prozeß vorzustellen hat. Mit der Absorption verbunden ist eine Anregung des atomaren Systems (Abb. 1). Letzteres kann aber keinen größeren Energiebetrag aufnehmen als hν, wobei h das Plancksche Wirkungsquantum und ν die Lichtfrequenz bezeichnen. Wenn daher die absorbierte Energie den Wert hν erreicht hat, springt die Phase des Dipolmoments (beim Nulldurchgang) um π, und das atomare System gibt die aufgenommene Energie – ebenfalls stetig – an das Feld zurück. An diese Emissionsphase schließt sich dann erneut eine Absorptionsphase an usw. Voraussetzung für das geschilderte Verhalten der atomaren Systeme ist einerseits, daß sich während der Beobachtungszeit T die Phase des Feldes nicht ändert (das ist mit Kohärenz gemeint). Andererseits dürfen die induzierten Dipolmomente noch nicht durch Relaxationsprozesse beeinträchtigt werden, das bedeutet, T muß größer als die transversale Relaxationszeit T2 sein. Mit Laserlicht lassen sich dank seiner hohen Intensität und großen Kohärenzlänge die genannten Forderungen erfüllen. Im einzelnen lassen sich folgende Effekte der k. W. beobachten:
1) Optische Nutation. Die erwähnte abwechselnde Absorption und induzierte Emission, die atomare Systeme unter Einwirkung eines intensiven kohärenten Feldes erfahren, hat wiederum zur Folge, daß die Intensität des aus der Probe austretenden Lichtes anfänglich moduliert wird, d.h., sie geht in der Art einer gedämpften Schwingung in ihren stationären Wert über (Abb. 2), was optische Nutation genannt wird. Die Einschwingzeit ist dabei durch die transversale Relaxationszeit gegeben. Experimentell geht man so vor, daß man nicht das Strahlungsfeld plötzlich einschaltet, sondern durch Ausnutzung des Stark-Effektes die atomaren bzw. molekularen Eigenfrequenzen nahezu sprunghaft verändert, so daß eine bestimmte Gruppe von atomaren Systemen in Resonanz mit einem bereits vorhandenen Strahlungsfeld gerät. Man durchstrahlt also mit einem Dauerstrichlaser eine Probe, deren Absorptionslinie inhomogen verbreitert ist (Linienbreite). Unter diesen Bedingungen sind an der Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld nur solche Atome bzw. Moleküle beteiligt, deren Eigenfrequenz genähert mit der Lichtfrequenz übereinstimmt (die zulässige Abweichung ist durch die homogene Linienbreite gegeben). Durch schnelles Anlegen einer elektrischen Gleichspannung an die Probe (Stark-Feld) wird erreicht, daß an die Stelle der bisher mit dem Laserfeld wechselwirkenden Gruppe von atomaren Systemen eine andere Gruppe tritt, deren Mitglieder sich zu Beginn des Schaltvorganges sämtlich im Grundzustand befanden. Diese erzeugen ein Nutationssignal. Schaltet man die Gleichspannung wieder ab, so entsteht ein zweites Nutationssignal (Abb. 2).
2) Freier Induktionszerfall. Eine induzierte Polarisation bricht nach Abschalten des wirkenden Strahlungsfeldes nicht momentan ab, sondern klingt in einem Zeitintervall von der Länge der transversalen Relaxationszeit T2 ab. Sie sendet dabei einen Lichtimpuls gleicher Frequenz und gleicher Ausbreitungsrichtung wie das ursprüngliche Strahlungsfeld aus. Diesen Vorgang nennt man freien Induktionszerfall. Der emittierte Impuls ist allerdings sehr schwach. Er läßt sich dadurch beobachten, daß man ihn mit einer frequenzmäßig etwas verschiedenen Laserstrahlung mischt und das entstehende Schwebungssignal (Heterodyn-Strahlungsnachweis) registriert (Abb. 3). Dessen Abklingzeit gibt den Wert der transversalen Relaxationszeit an.
Da ein momentanes Abschalten des Lasers nicht möglich ist, verändert man die Laserfrequenz sprunghaft. Dies erreicht man dadurch, daß man einen elektrooptischen Lichtmodulator in den Laserresonator einbringt und an den nichtlinearen Kristall eine Gleichspannung anlegt, die sehr schnell von Null an linear mit der Zeit auf einen konstanten Endwert anwächst (in ähnlicher Weise läßt sich die Frequenz des Laserlichtes auch außerhalb des Resonators sprunghaft verändern). Durch das Springen der Laserfrequenz gerät die zuvor mit der Laserstrahlung wechselwirkende Gruppe von Atomen außer Resonanz und zeigt den freien Induktionszerfall.
Eine weitere experimentelle Variante besteht darin, daß man das Abschalten der Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld eines cw-Lasers wie beim Nachweis der optischen Nutation durch Einschalten eines Stark-Feldes bewerkstelligt. Es wird dabei die Eigenfrequenz der bis dahin mit dem Strahlungsfeld wechselwirkenden atomaren Systeme geändert, so daß sie außer Resonanz geraten. Die an ihnen induzierten Dipolmomente – und damit auch die Polarisation – schwingen eine Zeitlang mit der neuen Eigenfrequenz weiter und strahlen demzufolge auch bei dieser aus. Der ausgesandte Impuls wird mit der Laserstrahlung zusammen auf einen Photodetektor geschickt, der dann das Schwebungssignal liefert.
3) Selbstinduzierte Transparenz. Wählt man Intensität und Dauer eines Lichtimpulses gerade so, daß die atomaren Systeme die erste Absorptionsphase vollständig durchlaufen (Abb. 1), so werden die Atome bzw. Moleküle durch den Impuls vollständig angeregt, d.h., es findet maximale Absorption statt. Ein solcher Impuls muß so beschaffen sein, daß für das zeitliche Integral der (reellen) Amplitude E0 der elektrischen Feldstärke gilt
. Dabei bezeichnet
das durch 2π dividierte Plancksche Wirkungsquantum und p12 das quantenmechanische Übergangsdipolmoment. Ein Impuls dieser Art wird π-Impuls genannt. Macht man den Impuls noch länger – oder intensiver –, so daß das obige Integral anwächst, so geben die atomaren Systeme einen Teil der Energie infolge induzierter Emission an das Strahlungsfeld zurück. Das Medium absorbiert somit im Endeffekt weniger Energie. Diese Erscheinung wird selbstinduzierte Transparenz genannt. Ist der Wert des Integrals doppelt so groß wie oben (2π-Impuls), so wird – unter idealen Bedingungen – die gesamte absorbierte Energie wieder ausgestrahlt, so daß das Medium vollständig durchsichtig wird. Die Wirkung des letzteren besteht dann nur darin, daß es von der Vorderflanke des Impulses ein Stück abschneidet und dieses dann an der Rückflanke gewissermaßen wieder ansetzt. Die Folge davon ist eine Verringerung der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Impulses im Medium. Wird das obige Integral noch mehr vergrößert, so endet die Wechselwirkung zwischen dem Impuls und dem Medium wieder in einer Absorptionsphase, so daß das Transmissionsvermögen wieder abnimmt. Die absorbierte Energie erreicht ein neues Maximum für einen 3π-Impuls, darauf fällt sie wieder ab, und das geht so lange weiter, wie die Impulsdauer unterhalb der transversalen Relaxationszeit bleibt. Zur Beobachtung der selbstinduzierten Transparenz bedarf es daher sehr kurzer Lichtimpulse, die zugleich sehr intensiv sein müssen. Diese lassen sich mit Piko- und Femtosekundenlasern erzeugen. Sobald die Relaxationsprozesse ins Spiel kommen, wird ein Teil der absorbierten Energie dissipiert, also in thermische Energie des Mediums umgewandelt. Das macht eine vollständige Transparenz unmöglich.
Die bei großen Impulslängen – verglichen mit der transversalen Relaxationszeit – oder bei stationärer Einstrahlung im Falle hoher Intensität zu beobachtende Verringerung des Absorptionskoeffizienten ist von der selbstinduzierten Transparenz wohl zu unterscheiden, da sie auf einem ganz anderen physikalischen Mechanismus, nämlich der Sättigung (Absorption) beruht.
4) Photonenecho. Darunter versteht man die folgende Erscheinung: Man strahlt in einem zeitlichen Abstand ΔT nacheinander einen
– und einen π-Impuls in ein Medium mit einer inhomogen verbreiterten Absorptionslinie ein, wobei die Bedingung 2ΔT
T2 (transversale Relaxationszeit) erfüllt ist. Wenn nach dem Eintreffen des zweiten Impulses wiederum die Zeit ΔT verstrichen ist, strahlt das Medium ohne weiteres Zutun in Vorwärtsrichtung einen neuen Impuls, das Photonenecho, aus. Dieser Effekt kommt folgendermaßen zustande: Die Wirkung des
-Impulses besteht darin, daß er im Medium die größtmögliche Polarisation hinterläßt (Abb. 1). Wegen seiner Kürze besitzt der Impuls ein relativ breites Frequenzspektrum (Frequenz-Zeit-Unschärfebeziehung), so daß er nicht nur eine, sondern viele Gruppen von Atomen bzw. Molekülen, die sich in ihrer Eigenfrequenz unterscheiden, anregt. Nachdem der Impuls durch die Probe hindurchgelaufen ist, oszillieren die Dipolmomente mit der jeweiligen Eigenfrequenz weiter. Wegen des Frequenzunterschiedes geraten die Beiträge der verschiedenen Gruppen zur Polarisation des Mediums schnell außer Phase, so daß die Polarisation nach kurzer Zeit verschwunden ist. Es findet daher auch keine Ausstrahlung statt. Die Oszillation der individuellen Dipolmomente hält aber an. Durch die Einstrahlung des zweiten Impulses, eines π-Impulses, gelingt es nun, die zeitliche Entwicklung der Dipolmomente umzukehren, so daß der ursprüngliche Zustand genau dann wieder hergestellt wird, wenn noch einmal die Zeit ΔT verstrichen ist, um welche die beiden Impulse gegeneinander verzögert sind. In dem genannten Zustande schwingen dann also die einzelnen Dipolmomente wieder gleichphasig. Sie summieren sich daher erneut zu einer makroskopischen Polarisation, und diese strahlt das Photonenecho aus. Auch bei dessen Ausbildung stören natürlich die Relaxationsprozesse, und man kann aus dem Abklingen des Echos mit zunehmender Verzögerungszeit ΔT auf die transversale Relaxationszeit schließen.
Anwendungen. Wie bereits erläutert, eignen sich die Effekte der k. W. generell zur Bestimmung von transversalen Relaxationszeiten. Dabei erlauben es die heutzutage verfügbaren Impulslaser, mit der Messung bis in den Piko- und Femtosekundenbereich vorzustoßen.
Kohärente Wechselwirkung 1: Induziertes Dipolmoment (a) und Besetzungswahrscheinlichkeit (b) des oberen Niveaus unter der Einwirkung kohärenter Strahlung.
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