Lexikon der Optik: photographischer Elementarprozeß
photographischer Elementarprozeß, Vorgang, der durch die Lichtabsorption in der photographischen Schicht zur Entstehung des latenten (verborgenen) Bildes führt, das dann durch die photographische Entwicklung sichtbar gemacht wird. Die Theorie des p. E. baut auf den Erkenntnissen der modernen Festkörperphysik auf. Danach bestehen die Silberhalogenidkristalle, die die Träger der Lichtempfindlichkeit in den photographischen Schichten darstellen, aus positiv geladenen Silberionen und negativ geladenen Bromionen in kubisch flächenzentrierter Anordnung. Ein kleiner Teil der Silberionen befindet sich auf Zwischengitterplätzen und ist dadurch relativ leicht beweglich. Nach der Theorie von Mott und Gurney laufen nach der Absorption eines Lichtquants Elektronen- und Ionenprozesse im Kristallgitter ab. Das Photon löst zunächst ein Elektron von einem Bromion ab. Das Elektron ist beweglich und wird letztendlich von einer geeigneten Fehlstelle im Gitter eingefangen, von wo es kraft seines elektrischen Feldes eines der positiv geladenen Silberionen auf Zwischengitterplätzen anzieht. Dieses wandelt sich dabei in ein Silberatom um, und die Fehlstelle wirkt weiterhin als eine Falle für ein weiteres Elektron, das durch einen neuerlichen Absorptionsakt freigesetzt wurde. Durch Fortsetzung der Einfangprozesse entstehen immer größere Silberaggregate, die von einer Mindestgröße an (unter günstigen Bedingungen genügen vier Silberatome) thermisch stabil sind und dann als Zentren für die photographische Entwicklung dienen (Entwicklungskeim). Im Gegensatz zu diesen Vollkeimen werden solche Zentren, die eine für die Entwickelbarkeit noch nicht ausreichende Größe haben, als Subkeime bezeichnet. Wird die Belichtung über lange Zeiten fortgesetzt, so bilden sich makroskopische Silberzentren aus, die zu einer Verfärbung des photographischen Materials führen (Print-out-Effekt). Einzelheiten des p. E. sind noch immer Gegenstand von Grundlagenuntersuchungen. Angesichts einiger im atomistischen Modell noch nicht befriedigend geklärter Feinheiten wird der p. E. auch als spezieller Fall eines Keimbildungsvorgangs in einem durch die Belichtung an Silber übersättigten Silberhalogenidkristall betrachtet. Mit den dabei zur Anwendung kommenden thermodynamisch-statistischen Methoden läßt sich eine große Zahl photographischer Effekte erklären.
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