Lexikon der Optik: Polarisationsmikroskopie
Polarisationsmikroskopie, ein spezielles Verfahren der Mikroskopie zur Darstellung und Bestimmung optisch anisotroper Substanzen mit Hilfe ihrer im polarisierten Licht sicht- und meßbaren optischen Eigenschaften.
Ursache der Anisotropie ist eine anisometrische Anordnung der atomaren Bausteine oder eine Fernorientierung der Moleküle des Stoffes, die eine Doppelbrechung und Polarisation des Lichtes zur Folge haben (Kristalloptik). Trifft eine (in der Regel durch einen Polarisator erzeugte) linear polarisierte Lichtwelle auf einen doppelbrechenden Stoff, so pflanzt sie sich in ihm in Gestalt zweier senkrecht zueinander linear polarisierter Teilwellen unterschiedlicher Phasengeschwindigkeit fort. Die Polarisationsrichtungen x' und z' sind durch die Stoffstruktur bestimmt. Die Teilwellen haben nach ihrem Austritt einen Gangunterschied R=d(nz'-nx'). Dabei bezeichnet d die Dicke des durchstrahlten Stoffes, nx' und nz' sind die den Schwingungsrichtungen x' und z' zugeordneten Brechzahlen des Stoffes. Diesen Effekt vermag das menschliche Auge erst dann wahrzunehmen, wenn hinter der Probe ein zweiter Polar, der Analysator, angeordnet wird. Die aus dem Analysator austretenden Teilwellen haben die gleiche Schwingungsrichtung und interferieren daher miteinander, d.h., die dem Auge sichtbare Intensität variiert mit dem Gangunterschied (Interferenzen in Kristallen).
In der P. ist der Analysator in der Ausgangslage so angeordnet, daß seine Schwingungsrichtung senkrecht zu der des Polarisators liegt ("gekreuzte Polare"). Die Intensität des den Analysator verlassenden Lichtes I+ ist dann nach Fresnel gegeben durch
wobei I0 die Intensität des einfallenden Lichtes, Ψ das Azimut der Schwingungsrichtung einer der beiden Teilwellen gegen die Schwingungsrichtung des Polarisators und λ die Vakuumwellenlänge bedeuten. Beim Drehen des untersuchten Objektes mit dem Tisch des Polarisationsmikroskops um 360° wird I+ viermal Null (Auslöschungsstellungen des Objektes) und erreicht sein Maximum bei Ψ=45°, 135° usw. In diesen Diagonalstellungen wird das Objekt mit dem Polarisationsmikroskop beurteilt. Bei Beleuchtung mit weißem Licht treten abhängig vom Gangunterschied R im orthoskopischen Strahlengang (Polarisationsmikroskop) charakteristische Interferenzfarben auf, die eine näherungsweise Abschätzung der Größe des Gangunterschiedes ermöglichen. Eine Messung erfolgt durch Kompensation des Objektgangunterschiedes mit einem zusätzlich und zum Objekt orientiert in den Strahlengang eingeführten Kompensator. Unter Berücksichtigung der gemessenen oder abgeschätzten Objektdicke läßt sich so die stoffspezifische Doppelbrechung des Objektes ermitteln.
Oft genügt es, mit der P. die relative Änderung von Gangunterschieden zu messen, um daraus kinetische Prozesse zu beurteilen, z.B. bei der Ermittlung von Umwandlungstemperaturen beim Erhitzen des untersuchten Stoffes. Auch pathologische Veränderungen an organischen Stoffen sind – bei gleichbleibender präparationsbedingter Probedicke – aus Gangunterschiedsmessungen ableitbar (Imbibitionsanalyse).
Neben der Gangunterschiedsmessung werden in der P. zur Stoff- und Strukturanalyse Brechzahlbestimmungen nach einer Immersionsmethode durchgeführt, des weiteren die Beziehung zwischen Morphologie und Auslöschungsstellung – der relative optische Charakter (Kristalloptik) – durch Feststellen der Lage einer Schwingungsrichtung zu einer ausgezeichneten morphologischen Richtung sowie die von der Durchstrahlungsrichtung abhängige Transmission der Probe – der Pleochroismus – bestimmt. Diese Angaben werden durch die im konoskopischen Strahlengang (Polarisationsmikroskop) durchführbaren Bestimmungen und Messungen ergänzt. Aus dem Achsenbild eines Kristalls (Interferenzen in Kristallen) wird die Symmetriegruppe (dimetrisch = optisch einachsig, trimetrisch = optisch zweiachsig), der wahre optische Charakter und bei optisch Zweiachsigen der Achsenwinkel bestimmt.
In der P. werden im allgemeinen richtungsabhängige Zufallswerte ermittelt. Die stoffspezifischen Extremwerte speziell der Lichtbrechung und der Doppelbrechung können nur nach vorheriger räumlicher Orientierung der zu untersuchenden Probe gemessen werden. Hierzu dienen Universaldrehtische, die eine Drehung oder Kippung der Probe um mehrere senkrecht aufeinander stehende Achsen gestatten und sowohl die orthoskopische als auch die konoskopische Untersuchung ermöglichen.
Die P. mit auffallendem Licht wird vorzugsweise zur Untersuchung von Erzen angewandt (Erzmikroskopie). Bei der Untersuchung von Metallen wird in erster Linie entschieden, ob der vorliegende Stoff isotrop oder anisotrop ist. Schwer ätzbare und Sondermetalle können zwischen gekreuzten Polaren unter Anwendung eines Lambda-Plättchens in Subparallelstellung kontrastreich dargestellt werden. Magnetische Elementarbereiche bilden sich in der Auflicht-P. infolge der Kerr-Drehung der Polarisationsebene (magnetooptische Effekte) mit unterschiedlichen Helligkeiten ab; der Kontrast kann durch Variation des Einfallswinkels des beleuchtenden Bündels und Erzeugen eines zusätzlichen Gangunterschiedes mit einem Brace-Köhler-Kompensator verstärkt werden.
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