Lexikon der Optik: Sehschärfe
Sehschärfe, Schwellenwert der Fähigkeit, feine Details eines Objektes wahrzunehmen, deren Erkennbarkeit vom Sehwinkel abhängt. Ihr Zahlenwert ist der Kehrwert des in Winkelminuten angegebenen kleinsten auflösbaren Sehwinkels. Diese anguläre S. ist das Auflösungsvermögen des Auges für kleine Objekte oder kleine Objektdetails bei hohem Kontrast. Je nach zu ihrer Bestimmung verwendeter Methode läßt sich die S. in drei Kategorien einteilen: Entdecken, Auflösung und Erkennen.
Das Erkennen eines Einzelpunktes hat mit der Punktschärfe zu tun. Diese entspricht nur eingeschränkt der Definition der S., da sie nicht auf der Trennung oder der Beurteilung der Relativposition von zwei Objekten oder Anteilen eines Objektes beruht.
Mit dem Erkennen des Abstandes zwischen zwei Objekten ist die Auflösungssehschärfe verknüpft. Diese basiert auf der Fähigkeit, den Leuchtdichteunterschied zwischen hellen und dunklen Objektstrukturen zu erkennen (Abb. 1). Häufig werden Gitter zur Bestimmung der Auflösungssehschärfe verwendet. Es wird die Ortsfrequenz bestimmt, bei der das Gitter gerade noch als solches aufgelöst werden kann. Aus dieser Grenzfrequenz uG wird die Auflösungssehschärfe wie folgt bestimmt
Diese S. wird auch als Gittersehschärfe bezeichnet.
Die in der Praxis am häufigsten angewandte S. ist die Erkennungssehschärfe, die im klinischen Sprachgebrauch auch als Visus bezeichnet wird. Es geht hier darum, bestimmte Details oder die Form eines Objektes zu erkennen. Der kleinste Sehwinkel, unter dem ein Objekt erscheinen darf, damit seine Form erkannt werden kann, definiert die Erkennungssehschärfe. Die Prüfung dieser S. erfolgt anhand spezieller Sehzeichen (Landolt-Ringe, Snellen-Haken, Zahlen, Buchstaben u.a.).
Schließlich gibt es noch die retinale Sehschärfe (Interferenzvisus).
Die S. ist eine Funktion des Netzhautortes (Abb. 2). Sie hat ihren Maximalwert in der Foveola und fällt außerhalb der Fovea schnell ab. Bei einer Exzentrizität von 10° ist noch eine S. von 20% des Maximalwertes erreichbar.
Die S. ist von verschiedenen äußeren Faktoren abhängig, zu denen die Leuchtdichte, der Kontrast, der Pupillendurchmesser und Augen- bzw. Objektbewegungen zählen. Unter skotopischen Adaptationsleuchtdichten ist eine S. von maximal 0,2 zu erreichen. Der Bereich mesopischer Adaptationsleuchtdichten ist dadurch gekennzeichnet, daß geringfügige Erhöhungen der Adaptationsleuchtdichte zu einem steilen Anstieg der S. führen (Abb. 3). Unter photopischen Adaptationsleuchtdichten erreicht die S. ihren Maximalwert. Ein Anwachsen der Leuchtdichte von 100 auf 1000 cd/m2 hat einen Anstieg der S. um eine Visusstufe zur Folge. Bei Leuchtdichten von 1000 cd/m2 erreicht die S. ihre Sättigung.
Der optimale Pupillendurchmesser für die S. liegt bei rund 3 mm. Größere Pupillendurchmesser haben einen erhöhten Einfluß der Aberrationen des Auges auf die S. zur Folge. Bei Durchmessern von weniger als 2,5 mm wird die S. durch Beugungserscheinungen nachteilig beeinflußt.
Augenbewegungen, die nicht zu den Mikrobewegungen gezählt werden können, verursachen ab Winkelgeschwindigkeiten von 2 Grad pro s eine Verminderung der S. Während einer Sakkade findet eine Suppression der Wahrnehmung, die bereits vor Beginn der Sakkade einsetzt, statt.
Neben dieser angulären S. (Minimum separabile) können auch andere Kriterien zur Bestimmung der S. Verwendung finden. Diese basieren auf der Beurteilung des relativen Versatzes von Objekten oder Teilen eines Objektes (Minimum discriminabile). Sie beinhalten bereits die Formerkennung.
Sehschärfe 1: Verteilung der Beleuchtungsstärke auf der Netzhaut. a) Der Abstand zwischen den beiden Objektpunkten ist so groß, daß zwischen zwei belichteten Rezeptoren ein dritter unbelichteter liegt. b) Der Abstand der Objektpunkte ist so gering, daß die Beleuchtungsstärke des mittleren Rezeptors so hoch ist, daß die beiden Objektpunkte nicht mehr getrennt wahrgenommen werden können. (Nach Berke und Münschke, Screening, DOZ-Verlag, Heidelberg 1996).
Sehschärfe 2: Sehschärfe in Abhängigkeit vom Netzhautort.
Sehschärfe 3: Sehschärfe als Funktion der Adaptationsleuchtdichte in cd/m2. Die beiden Kurven geben die obere und untere Grenze des Streubereichs einer größeren Gruppe von Versuchspersonen wieder. (Nach Hartmann, Beleuchtung und Sehen am Arbeitsplatz, Goldmann, München 1970).
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.