Metzler Philosophen-Lexikon: Bodin, Jean
Geb. 1529/30 in Angers; gest. 1596 in Laon
Spätestens seit der Aufklärung leidet das Renommee B.s, den die Zeitgenossen noch »den gelehrten Bodin« nannten, darunter, daß er auch eine dem Hexenhammer (1487) verwandte Démonomanie des Sorciers (1580) verfaßt hat, einen Leitfaden zum Führen von Hexenprozessen, der Folter und Feuertod für die meist weiblichen Hexen vorsieht. Sarkastisch bezeichnet ihn Voltaire deshalb als den »Generalstaatsanwalt Beelzebubs«. Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts bemühte man sich um ein gerechteres Urteil und erkannte, daß der bedeutende Humanist B. zwar in seinen politischen, sozialen und religiösen Schriften spätere Ideen vorwegnimmt, aber mit seinem Dämonenglauben und seinen politischen Anschauungen noch tief im aristotelisch-thomistischen Ordodenken des Mittelalters verwurzelt ist. Auch kann man die Widersprüchlichkeit dieses Denkers nur verstehen, wenn man sich vor Augen hält, daß alle seine Schriften während der blutigen Religionskriege geschrieben wurden, die 1562 mit dem Massaker von Vassy beginnen und 1593 mit dem Glaubenswechsel Heinrichs IV. bzw. dem Edikt von Nantes 1598 enden. B. wechselte wie viele Zeitgenossen mehrfach die Konfession und die Parteizugehörigkeit, litt aber unter dem allgemeinen Autoritätsverfall und dem Zusammenbrechen religiöser und sozialer Normen. Er war der Reihe nach Karmelitermönch (um 1545), Calvinist (um 1562/63), toleranter Katholik (1576), danach wahrscheinlich heimlicher Jude. B. diente dem Herzog Franz von Alençon-Anjou, König Heinrich III., dem Tiers (Dritter Stand) von Vermandois und der Stadt Laon. Er gehörte zu den auf Ausgleich bedachten »Politiques«, dann zur Katholischen Liga, zuletzt zum Lager Heinrichs IV. Trotz seines Hexenhandbuchs verabscheute er die blutige Grausamkeit des Bürgerkriegs, die sich am schlimmsten im Massaker der Bartholomäusnacht entlud (1572), bei dem etwa 2000 Hugenotten in Paris und deren 20 000 in der Provinz ums Leben kamen und er selber nur durch Zufall dem Tod entging.
Wenn B. während seiner Tätigkeit als Kronanwalt in Laon politische Wirkung fast gänzlich versagt blieb, gehört er doch zu den universellen und einflußreichsten Denkern des französischen Humanismus. Wir übergehen seine philologischen und ökonomischen Schriften, in denen er zuerst eine moderne Preistheorie entwickelte, lassen sein erst 1841 in Berlin ediertes, da von den Zeitgenossen für zu brisant gehaltenes religionstheoretisches Colloquium heptaplomeres (1576) beiseite, in dem sieben verschiedene Religionsauffassungen relativiert werden und das sein jüngster Biograph Meyer-Tasch als »eine der großartigsten Manifestationen der Toleranzidee« bezeichnet. Wir konzentrieren uns auf seine bahnbrechenden historischen Werke, die Methodus ad facilem historiarum cognitionem (1566) und die Six livres de la République (1576), die eng zusammengehören. Während B. in der Methodus die Profangeschichte auf menschliches Tun zurückführt, das von Klima, Rasse und Sternenlauf determiniert wird, handelt die französisch geschriebene und damit auf Breitenwirkung zielende République fast ausschließlich von der Souveränität. Hatte B. bereits im 6. Buch der Methodus dem späteren Absolutismus den Weg bereitet, indem er die Souveränität als »summa in cives ac subditos legibus soluta potestas« (»die höchste Gewalt gegenüber Bürgern und Untertanen, die nicht an die Gesetze gebunden ist«) definierte, wird er erst in der République zum Theoretiker der uneingeschränkten Souveränität. Anders aber als Machiavelli – dem er »Verachtung der heiligen Naturgesetze« vorwirft – und Hobbes fordert B. vom Monarchen, daß er sich den Gesetzen der Religion, der Natur und des Völkerrechts unterstellt. Auch schränkt er seine Befugnisse dadurch ein, daß er das Steuerbewilligungsrecht und das Untertaneneigentum garantiert. Nirgends sagt B. allerdings, wie der Souverän dazu gezwungen werden kann, seinen Pflichten nachzukommen – der Grund für die Beliebtheit seines Werkes bei allen Theoretikern des absolutistischen Staates, vor allem zur Zeit Ludwigs XIV. Zur Keimzelle des Staates erklärt B. die Familie mit ihrer souveränen väterlichen Gewalt; dieser Gedanke wurde besonders von konservativen Soziologen des 20. Jahrhunderts wiederaufgenommen.
Meyer-Tasch, Peter Cornelius: Jean Bodin. Eine Einführung in sein Leben, sein Werk und seine Wirkung. Düsseldorf 2000. – Spitz, Jean-Fabien: Bodin et la souveraineté. Paris 1998. – Lange, Ursula: Untersuchungen in Bodins Demonomanie. Frankfurt am Main 1970.
Frank-Rutger Hausmann
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