Metzler Lexikon Philosophie: Arbeit
In neuerer Zeit, vornehmlich im 18. und 19. Jh., hat sich die terminologische Ausschärfung des Arbeitsbegriffes aus zwei unterschiedlichen Traditionslinien gespeist: Während für die bürgerliche Nationalökonomie A. als Quelle des Reichtums immer interessanter wurde, wandte sich die zeitgenössische Philosophie mehr der persönlichkeits- und geschichtsbildenden Rolle der A. zu. Menschliche A. kann zunächst einmal begriffen werden als zielgerichteter Stoffwechselprozess zwischen Mensch und Natur, als Einwirken eines Subjektes (Mensch) auf ein Objekt (gegenständliche Welt) unter Verwendung selbstgeschaffener Werkzeuge. Im Prozess der A. verwirklicht der Mensch seine Zwecke, sie ist bewusste Lebenstätigkeit, deshalb hat Hegel z.B. von der A. als dem Sich-zum-Dinge-Machen des Bewusstseins gesprochen. Historisch betrachtet, setzt sich eine immer differenzierter werdende, zunächst gesellschaftliche, dann auch innerbetriebliche Teilung der A. durch, wobei die Teilung von geistiger und körperlicher A. sicherlich die relevanteste ist. – Alle diese Überlegungen liefern ausschließlich einen abstrakten Begriff von A., mit dem, wie Marx sagt, keine wirkliche Epoche der menschlichen Geschichte zureichend begriffen werden kann. Konkrete A. tritt demgegenüber immer nur in historischgesellschaftlicher Formbestimmtheit und Determination auf. Wie eine Analyse der Marx’schen Theorie zeigt, hat Marx seinen Arbeitsbegriff nicht allein auf dem Wege der Rezeption der ihm vorliegenden nationalökonomischen Literatur, sondern ebensosehr in Auseinandersetzung mit der philosophischen Tradition gewonnen und ihn ins Zentrum seiner eigenen materialistischen Geschichtsphilosophie gestellt. Menschliche A. wird hier als »lebendige« A., als Produktion, begriffen, die sich zum einen durch den Arbeitsprozess im Arbeitsprodukt vergegenständlicht und damit zur »toten«, eben vergegenständlichten A. wird. Hierin liegt die Möglichkeit einer Entfremdung der A. begründet, weil ja im für den Kapitalismus typischen Fall der privaten Aneignung der Arbeitsprodukte die in den Produktionsmitteln vergegenständlichte A. der lebendigen A. (den Arbeitern) als fremde, sie beherrschende Macht (als Kapital) gegenübertreten kann. Zum anderen ist wesentlich, dass die lebendige A. sich nicht nur in Gebrauchswerten vergegenständlicht, sondern immer auch die historisch-gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen sie vonstatten geht, unbeabsichtigt mitproduziert und reproduziert und damit diese Verhältnisse perpetuiert, zumindest solange, wie dieser Prozess naturwüchsig abläuft. Ganz besonders in dieser Tatsache spiegelt sich die ihr zu Recht zugewiesene geschichtsbildende Kraft. Deutlich wird in diesem Zusammenhang ferner, dass menschliche A. von Anfang an gesellschaftliche A. ist, was nicht nur bedeutet, dass jeder einzelne Arbeitsprozess Bestandteil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit ist und zu ihr beiträgt, sondern vor allem, dass er bereits immer schon von seinen Umständen und Voraussetzungen (Produktionsverhältnissen) her Resultat historisch konkreter Formbestimmung ist. – Schließlich ist auf eine doppelte dialektische Implikation des Begriffes menschlicher A. hinzuweisen, nämlich einmal insofern, als sie in ihrer Gestalt als lebendige A. auch der sie möglicherweise (als Kapital) beherrschenden vergegenständlichten A. gegenüber das übergreifende, aktive Subjekt des Arbeitsprozesses bleibt und zum anderen insoweit, als sie als menschliche A. spezifische Formbestimmtheit des sie seinerseits übergreifenden Naturprozesses ist, da die Natur als Ganzes erst die Ermöglichungsbedingung und Substanz der sich ihr umgestaltend zuwendenden A. ist.
ER
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