Metzler Lexikon Philosophie: Begründung
Die Formen der B. müssen nach den Gebieten, in denen B.en erforderlich sind, unterschieden werden: In Bezug auf Aussagen über die Realität bzw. empirische Sachverhalte bedeutet B., dass der Nachweis für die Richtigkeit der Aussage erbracht wird; in Bezug auf Normen und soziale Regeln hat die B. den Nachweis der Berechtigung solcher normativer Forderungen zu erbringen; in Bezug auf Handlungen kann B. entweder bedeuten, dass die Handlung oder Handlungsziele rechtmäßig sind, d.h. den gesellschaftlichen Erwartungen oder normativen Standards entsprechen, oder dass eine Handlung das geeignete Mittel zur Realisierung subjektiver Absichten oder vorgegebener Zwecke darstellt. – Im Hinblick auf diese gebietsspezifischen B.formen ist zu unterscheiden zwischen subjektiven und objektiven B.en. In den subjektiven B.en wird zum Ausdruck gebracht, welche Überzeugungen einer Person die Grundlage für seine Meinung bilden, dass eine Aussage wahr ist, warum eine Norm richtig ist, warum eine Handlung berechtigt oder zweckrational ist. Mit einer subjektiven B. verbindet sich der Glaube, dass eine Überzeugung korrekt erworben wurde. Eine objektive B. zielt darauf ab, eine andere Person auf rationale Weise, d.h. durch Argumentation oder durch Beweise, zur Übernahme einer Überzeugung zu bewegen. – Der Sinn von B. ändert sich je nach der Form einer Aussage und den darin verflochtenen Geltungsansprüchen. Geltungsanspruch bedeutet, dass mit einer Aussage implizit immer auch die unausgesprochene Behauptung verknüpft ist, dass die Bedingungen für die Gültigkeit der betreffenden Aussage erfüllt sind. Im Anschluss an die Sprechakttheorie wurden der Geltungsanspruch der (grammatikalischen) Verständlichkeit, der Wahrheit (des Aussageinhalts), der Wahrhaftigkeit (der Sprecherintention) und der normativen Richtigkeit (der Handlung) herausgestellt (Universalpragmatik). Die für den Begriff der B. relevanten Geltungsansprüche der Wahrheit und normativen Richtigkeit werden durch den Nachweis der Existenz von Sachverhalten, die in der Aussage behauptet wurden, oder durch den Nachweis der Akzeptabilität von Handlungen in Bezug auf den als legitim anerkannten normativen Kontext ausgewiesen. Wenn dieser Nachweis nicht die allgemeine Anerkennung erhält, ist eine zweite Ebene der B. erforderlich, d.i. ein theoretischer oder praktischer Diskurs, um einen neuen Konsens bezüglich der Anerkennung herzustellen. Diese zweite Ebene der B. ergibt sich daraus, dass nicht mehr die Regelgerechtheit eines Prozesses des Erkennens oder einer Handlung zu beurteilen ist, sondern die Frage zu beantworten ist, ob die vorgeschlagenen Regeln übernommen werden sollten oder nicht. Dies gilt für den Wissenschaftsprozess (in Bezug auf Gesetzesaussagen und Hypothesenbildung) und für den Kontext sozialer Handlungsregeln gleichermaßen.
In Bezug auf diese zweite Ebene der B. unterscheiden sich die philosophischen Positionen; die gegenwärtige Diskussion wird von zwei gegensätzlichen Standpunkten beherrscht. Im Umkreis des Logischen Empirismus wird die These vertreten, dass der mit dem Begriff der B. vertretene Rationalitätsanspruch nur sinnvoll in Bezug auf empirisch überprüfbare Aussagen vertreten werden kann. Aus diesem Grunde können B.en von normativen Aussagen nur den Status von subjektiven Überzeugungen haben. Der Begriff von B. wird auf die Deduktion von Sätzen aus anderen Sätzen gemäß angebbaren Verfahrensregeln eingeschränkt. Dementsprechend sind zwei Verfahren der B. denkbar: (1) Der logisch-mathematische Beweis wird vollzogen durch die Deduktion von Sätzen aus anderen Sätzen (d.i. Theoremen oder ersten Sätzen i.S. der Axiome) gemäß den angegebenen Verfahrensregeln. Bei solchen Ableitungen werden die ersten Sätze (Axiome) nicht ihrerseits wieder begründet. Für Aristoteles galten diese ersten Grundsätze als nicht beweisbar, ihren Status als oberste Grundsätze erhielten sie vielmehr aufgrund einer unmittelbaren Einsicht (wie z.B. der Satz vom zu vermeidenden Widerspruch als sicherstes Prinzip allen Beweisens). (2) Im hypothetisch-deduktiven Verfahren sollen sich die allgemeinen Aussagen durch die Konklusionen, die man aus ihnen zieht, empirisch bewahrheiten. In Bezug auf die normativen Aussagen schlägt der Kritische Rationalismus eine durch den Fallibilismusvorbehalt abgeschwächte B. vor. D.h. B.en gelten nur unter dem Vorbehalt, dass bis zum Zeitpunkt der B. keine Widerlegungen bekannt und nur solange keine bekannt sind.
Die andere Position wird durch die Transzendentalpragmatik von Apel, die Theorie des Tkommunikativen Handelns von Habermas und den Konstruktivismus von Kamlah, Lorenzen, Schwemmer u.a vertreten. Als allgemeiner Nenner dieser Ansätze gilt die Auffassung, dass eine theoretische Aussage oder eine normative Forderung dann als begründet gilt, wenn sie von allen vernünftig argumentierenden Gesprächspartnern zustimmend beurteilt wird. Die B. ist dadurch an Kriterien einer vernünftigen Argumentation rückgebunden: der Unvoreingenommenheit bezüglich der Inhalte und Standpunkte, der Freiheit von äußeren Zwängen oder Beeinträchtigungen, der Vermeidung von rhetorischer Manipulation. Das konstruktive Verfahren rekonstruiert die für die Bildung praktischen Wissens und für die B. einer Handlung konstitutiven zustimmungsfähigen Begründungsschritte, die (1) in der Angabe des Zwecks, wofür die Handlung das geeignete Mittel darstellt, besteht, (2) in der normativen Angabe, dass dieser Zweck in einer gegebenen Situation universell geboten ist, und (3) in dem Aufweis, dass diese Norm aus einer der miteinander verträglichen Ober-Normen ableitbar ist. Die Transzendental-und die Universalpragmatik rekurrieren auf die mit jeder Aussage verbundenen Geltungsansprüche, die von jedem Sprecher notwendigerweise zumindest implizit anerkannt sein müssen. Aus diesen Geltungsansprüchen resultiert die rationale Verständigung (d.h. der Zwang des besseren Arguments) als allgemeine Norm. Bei Apel wird dies mit dem Letztbegründungsargument ausgewiesen. Das besagt, dass bei allen möglichen Zweifeln, die argumentativ vorgetragen werden müssen, der sinnvoll Argumentierende diejenigen Argumentationsregeln, die er für seine (Zweifel-)Argumentation unterstellen und anerkennen muss, selbst nicht bezweifeln kann.
In der philosophischen Tradition wird die Frage nach der B. von Erkenntnis als Frage nach dem Erkenntnisgrund gestellt. Der erkenntnistheoretische B.anspruch geht dahin, eine gesicherte Instanz für die Erkenntnis anzugeben: Descartes (Meditationes de prima philosophia) versucht durch den methodischen Zweifel einen für das Denken nicht mehr hintergehbaren Grundsatz (d.i. ein oberstes Prinzip) zu gewinnen: Ich denke, also bin ich (cogito ergo sum). D.h. dass jeder, der Gedanken über sich selbst hat, zumindest ein Wissen vom Dasein eines Wesens (nämlich seiner selbst als denkendem Wesen) hat, mag auch alles Wissen darüber hinaus unsicher und unwahr sein. – Die Kantischen Überlegungen bestimmen bis in die Gegenwart die vielfältigen Diskussionen über die Möglichkeit von B. der Erkenntnis. Er versucht in seiner transzendentalen Logik (KrV) die B. der Erkenntnis nicht in Bezug auf das Dasein eines selbstbewussten Denkers zu erbringen, sondern in Bezug auf die Erkenntnisweisen die Bedingung der Möglichkeit objektiv gültiger Erkenntnis zu bestimmen. Es bedarf eines Prinzips, in Beziehung auf das die Rechtfertigung oder die Abweisung einer Erkenntnis begründet und gesichert werden kann. Ein solches Prinzip hat zwei Bedingungen zu genügen: Es muss für sich selbst eine Erkenntnis einschließen, die gegen allen Zweifel gesichert ist, und es muss dazu geeignet sein, den Ursprung anderer Erkenntnisweisen auszuweisen, d.h. auch die Rechtmäßigkeit des Anspruchs dieser Erkenntnisweisen, wirkliches Wissen (und nicht nur subjektive Meinung) zu sein. Kant gewinnt die transzendentale Rechtfertigung für Erkenntnis aus einer Eigenschaft, welche das Selbstbewusstsein (d.i. dem Gedanken des Denkers von sich selbst) in Beziehung auf alle Gedanken hat: dem Bewusstsein »ich denke«. Aus diesem Bewusstsein ist die Abfolge von drei Implikationen herzuleiten: Es ist ein Prinzip der Identität; diese Identität schließt die Beziehung vieler Fälle des Denken von einem identischen Selbst ein; diese Beziehung ist als der Übergang von jedem einzelnen »Ich-denke«-Fall zu jedem anderen in einem Selbstbewusstsein zu denken (Henrich). In jedem Selbstbewusstsein besteht nach Kant auch ein Wissen von den allgemeinen Bedingungen, d.h. von den Regeln, nach denen die Übergänge von dem einen Fall zum anderen erfolgen. Ein solches Regelwissen stellt eine grundlegende Voraussetzung dar und schließt einen Inbegriff von Regeln ein, unter denen das denkende Subjekt seine Welt mit Notwendigkeit denken muss: eine Regel, die einzelne Inhalte für Gedanken festlegt, eine zweite, die einsinnige Abhängigkeiten von Inhalt zu Inhalt bestimmt, und eine dritte, nach der jeder Inhalt mit jedem anderen in einer Gemeinschaft möglichen Übergehenkönnens besteht (d.i. die drei Grundbegriffe der Relation in Kants Theorie der Kategorien). – Husserl versucht durch eine letztbegründende Erkenntnis aufzuzeigen, dass und in welchem Sinne die Realität bzw. alles objektive Sein auf die Sinnbildungen und Seinsgeltungen der erkennenden Subjektivität zurückgeht. Husserls Phänomenologie stellt die Methode der Analyse der konstituierenden Leistungen der transzendentalen Subjektivität dar. Insofern sie in der Analyse der intentionalen Bewusstseinsstruktur die Leistungen des sinnstiftenden Subjekts zu Bewusstsein bringt, behandelt sie zugleich die Welt als dessen intentionales Korrelat.
Literatur:
- H. Albert: Traktat über kritische Vernunft. Tübingen 31975
- K.-O. Apel: Das Apriori der Transzendentalpragmatik und die Grundlagen der Ethik. In: Transformation der Philosophie. Frankfurt 1973. S. 358 ff
- R. Descartes: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie. Hamburg 1993
- J. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt 1981
- D. Henrich: Kant und Hegel. In: Selbstverhältnisse. Stuttgart 1982. S. 173 ff
- E. Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Hua III/1
- F. Kambartel (Hg.): Praktische Philosophie und konstruktive Wissenschaftstheorie. Frankfurt 1974
- W. Kamlah/P. Lorenzen: Logische Propädeutik. Mannheim 21973
- I. Kant: Kritik der reinen Vernunft
- P. Lorenzen/O. Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie. Mannheim 1973
- Ch. Lumer: Praktische Argumentationstheorie. Braunschweig 1990
- H. F. Spinner: Kritik und Rationalität. Braunschweig 1977.
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