Metzler Lexikon Philosophie: Beratung, praktische
Lorenzen und Schwemmer haben im Rahmen ihrer konstruktiven Methode beim Aufbau einer Ethik die B. als ein Primat der praktischen Vernunft dargestellt. Die Aufgabe der konstruktiven Methode ist es, die Termini einzuführen, mit denen solche B.en beschrieben werden können, die der Konfliktbeseitigung dienen, und die die Beratenden in der beredenden Vorbereitung ihres Handelns zu gebrauchen gelernt haben. Die Termini beschreiben die sinnvollen B.en kompetenter Beratender. – Als B.en werden die Reden bezeichnet, die zur Beschlussfassung über die Ausführung von Handlungen bzw. die Verfolgung von Zwecken benutzt werden. Ausgangspunkt einer solchen B. ist eine durch wechselseitige Unverträglichkeit von Handlungen oder Zwecken gekennzeichnete Konfliktsituation. Die B. beinhaltet das Bereden der verschiedenen, miteinander unverträglichen Vorschläge in der gemeinsamen Absicht, zu einer allgemeinen Annahme eines Vorschlages oder mehrerer miteinander verträglicher Vorschläge zu gelangen. – Das Prinzip der p.n B. beruht zunächst auf zwei Stufen des Beschlusses: (1) Der Beschluss über die Ausführung einer Handlung wird unter Angabe des Zweckes, zu dem diese Handlung ein geeignetes Mittel ist, gefasst (Begründung erster Stufe: die fragliche Handlung als geeignetes Mittel für einen angenommenen Zweck). (2) Der Beschluss über eine Zwecksetzung wird unter Angabe einer Norm, aus der sich die Aufforderung zur Setzung dieses Zweckes (gemäß den modallogischen Schlussregeln) ableiten lässt, gefasst (die Begründung zweiter Stufe besteht in der Ableitung aus einer angegebenen Norm). Die gemeinsame Annahme einer Norm soll dabei so verstanden werden: Wenn jemand eine Norm angibt, um mit ihr eine Zwecksetzung zu begründen, dann hat er diese Norm dann angenommen, wenn er sie als einen Grund (zweiter Stufe) auch für alle weiteren Beschlüsse über Zwecksetzungen (auch seine eigenen) zulässt. In der Forderung, eine jede solche Norm auch für alle weiteren Zwecksetzungen als einen Grund zuzulassen, besteht das Prinzip der p.n B. Als praktisches Vernunftprinzip tritt die B. mit dem Postulat auf, die jeweils bloß subjektiven Meinungen und Zwecksetzungen zu transzendieren (Prinzip der Transsubjektivität). Wie die Transsubjektivität zu erreichen ist, regelt ein Moralprinzip (als Ergänzung zum Vernunftprinzip) durch die Forderung: Stelle in einer Konfliktsituation die miteinander verträglichen übergeordneten Normen (»Supernormen« oder Oberzwecke) zu den Normen (»Subnormen«) fest, die als Gründe für die miteinander unverträglichen Zwecke benützt werden, und stelle zu diesen übergeordneten Normen Subnormen auf, die miteinander verträglich sind. Diese neu aufgestellten Subnormen sollen dann als begründet (dritte Stufe) angesehen werden. Die Begründung dritter Stufe wird als »Rechtfertigung« bezeichnet. – Moralprinzip und Vernunftprinzip können ihrerseits nicht nochmals begründet werden. Denn da das Moralprinzip zusammen mit dem Vernunftprinzip erst festlegt, wie allgemeine Sätze für eine Begründung von Handlungen, Zwecken und Normen benutzt werden sollen, stehen nicht schon vor diesen Prinzipien allgemeine Sätze zur Verfügung, auf die wir uns beziehen könnten. Wir können nur dadurch jemanden zur Befolgung dieser beiden Prinzipien bewegen, dass wir sie zusammen mit ihm zu befolgen versuchen. In der Befolgung der Prinzipien zeigen sich Stufen der Gemeinsamkeit: die Gemeinsamkeit des Handelns (als eine Gemeinsamkeit der Mittel) ist der Gemeinsamkeit der Zwecke unterzuordnen. Die Prinzipien werden nur in ihrer Ausübung einsichtig.
Literatur:
- P. Lorenzen/O. Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie. Mannheim 1973. S. 113 ff.
PP
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.