Direkt zum Inhalt

Metzler Lexikon Philosophie: Dezision, Dezisionismus

bezeichnet Entscheidungen oder Entscheidungsverfahren, für die charakteristisch ist, dass sie nicht durch Bezug auf allgemeine Rationalitätsstandards begründet werden oder begründbar sind. Dies gilt für situative Kontexte, in denen bspw. aufgrund begrenzter Information oder begrenzter Zeit die für eine Entscheidung relevanten Gründe oder Zweck-Mittel-Relationen nicht hinreichend abgeklärt werden können. – Im Anschluss an das empiristische Sinnkriterium des Logischen Empirismus wird die These vertreten, dass es eine Begründung im strengen Sinne nur im Bereich wahrheitsfähiger Aussagen, die sich auf empirische Tatsachen beziehen, geben könne. Die metaethische Position des Emotivismus zieht daraus die Konsequenz, wenn sie die These vertritt, dass moralische Äußerungen nur subjektive Einstellungen und Gefühle ausdrücken, die selbst nicht weiter begründbar sind. In den Ausführungen zur Wertfreiheit der Wissenschaften bezieht M. Weber in der Frage der Begründbarkeit von Wertsätzen die Position, dass Wertungen nicht Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis sein können. Normen und Werturteile unterliegen einer anderen Logik der Begründung als empirische Aussagen. Daraus wurde die – von der Weber’schen Argumentation nicht abgedeckte – These abgleitet, dass letzte Wertungen eine Angelegenheit der persönlichen Entscheidung sind. Die von H. Albert vorgetragene Position des Kritischen Rationalismus verweist darauf, dass eine letztgültige Begründung von Normen oder moralischen Sätzen nicht möglich ist, da jede Forderung nach Letztbegründung entweder zu einem infiniten Regress oder zu einem logischen Zirkel oder zum Abbruch des Begründungsverfahrens durch Berufung auf ein Dogma (Münchhausentrilemma) führen muss. Der Anspruch rationaler Begründung kann demnach nur sinnvoll vertreten werden in Bezug auf die Überprüfung der Konsequenzen von moralischen Sätzen, in Bezug auf deren Realisierbarkeit und Widerspruchsfreiheit. Moralischen Grundsätzen kann nur der Status von hypothetisch angenommenen Normen zugesprochen werden, da die Revidierbarkeit dieser Normen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann. Der Vorbehalt des D. führt bei Albert zur Position einer eingeschränkten praktischen Rationalität. Wenn Rechtfertigung mit Deduktion gleichgesetzt wird und Rationalität auf die wissenschaftliche Methode von Vermutung und Widerlegung (durch Bezug auf Tatsachen) eingeschränkt wird, dann ist es auch nicht möglich, diese kritische Einstellung selbst zu rechtfertigen. Es bleibt als einzige Möglichkeit die subjektive Wahl zwischen konkurrierenden Erkenntnis- und Handlungsmodellen, die weder deduktiv gerechtfertigt noch wissenschaftlich bestätigt werden können. – Im Bereich der juristischen Argumentation wurde von C. Schmidt gegen den Anspruch der Lückenlosigkeit der Rechtsordnung (seitens des Rechtspositivismus) der Vorbehalt vorgebracht, dass man mit den juristischen Erkenntnismitteln nicht jede notwendige Rechtsentscheidung aus dem Rechtsstoff ableiten könne. Vielmehr verbleibe immer ein Entscheidungsmoment, das nicht weiter ableitbar ist. Ebenso beinhaltet der Ausnahmefall – wenn mittels souveräner Entscheidung erst die Situation geschaffen muss, in der (neue) Rechtssätze gelten können – ein solches voluntatives Entscheidungsmoment.

Literatur:

  • H. Albert: Theorie und Praxis. Max Weber und das Problem der Wertfreiheit und der Rationalität. In: Ders./E. Topitsch (Hg.): Werturteilsstreit. Darmstadt 21979. S. 200 ff
  • C. F. Gethmann/R. Hegselmann: Das Problem der Letztbegründung zwischen Dezisionismus und Fundamentalismus. In: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie 7 (1977). S. 342 ff
  • H. Hofmann: Dezision, Dezisionismus. In: HWPh
  • M. Weber: Die »Objektivität« sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. In: Gesammelte Aufsätze. Tübingen 61985. S. 146 ff.

PP

  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.