Metzler Lexikon Philosophie: Explikation
Die E. eines Begriffs dient dazu, einen vagen oder mehrdeutigen Ausdruck der Alltagssprache zu präzisieren. Der zu präzisierende Ausdruck wird Explicandum/Explikandum, der ihn ersetzende Explikat genannt. In der Regel geht der eigentlichen E. eine Begriffserläuterung voran, in der mit Hilfe von Beispielen aus einer Anzahl von Verwendungsweisen des Begriffs diejenigen Wendungen abgrenzend herausgestellt werden, deren Klärung vorgenommen werden soll. z.B. wird ein Erkenntnistheoretiker oder Logiker für sein Interesse am Prädikat »wahr« die Wendungen »wahre Aussage«, »wahre Behauptung«, »wahrer Bericht« von solchen wie »wahrer Freund«, »wahre Liebe«, »wahres Glück«, »wahrer Gewinner« abgrenzen. Die E. besteht darin, dass der betreffende Begriff in ein ganzes System von exakten wissenschaftlichen Begriffen eingeordnet wird, so dass seine korrekte Anwendung durch präzise Regeln gewährleistet ist. Eine E. kann mehr oder weniger adäquat sein. Carnap hat vier Kriterien zur Beurteilung der Adäquatheit einer Begriffsexplikation aufgestellt: (1) Das Explikat muss dem Explikandum ähnlich sein, da man sonst nicht von einer E. dieses Explikandums sprechen könnte. (2) Das Explikat muss die Forderung der Exaktheit erfüllen. Da es nicht möglich ist, einen einzigen Begriff für sich allein als exakten zu konstruieren, gilt diese Forderung für das ganze Begriffssystem, in den dieser einzelne Begriff eingeordnet ist. (3) Die Forderung der Fruchtbarkeit: Sie besagt, dass der fragliche Begriff die Aufstellung möglichst vieler Gesetze gestatten soll. (4) die Forderung der Einfachheit: diese bezieht sich sowohl auf die Definition des Begriffs wie auf die mit diesem Begriff gebildeten Gesetze. Die explizierten Begriffe können in drei Formen auftreten: (1) Der klassifikatorische Begriff dient zur Einteilung von Dingen in zwei oder mehrere Klassen; (2) der komparative (auch Ordnungs- oder topologischer) Begriff dient genaueren Vergleichsfeststellungen; (3) der quantitative (oder metrische) Begriff dient der genauen Charakterisierung von Eigenschaften oder Beziehungen mit Hilfe von Zahlenwerten, z.B. Länge, Temperatur, oder Preisindex, Geburtenrate. – Wunderlich ergänzt die Forderungen von Carnap: (1) Die E. erfolgt gemäß den Forderungen 2–4 von Carnap im Hinblick auf Theorien. Entweder werden zentrale Begriffe derart expliziert, dass ihnen ganze Theorien als Explikat entsprechen, oder es werden verschiedene Begriffe im Zusammenhang expliziert. (2) Wir explizieren stets im Hinblick auf die klaren Fälle, um bei ihnen unsere Intuitionen durch exaktere Argumente ersetzen zu können. Die Theorie kann aber auch Antworten auf die Grenzfälle geben bzw. den Grenzfall klar bestimmen. (3) Die Explikationssprache ist von derselben Stufe wie die Explikandumsprache (z.B. die Umgangssprache), d.h. keine Metasprache. – Neben der Bedeutungsexplikation von Ausdrücken gibt es die E. natürlicher Phänomene, z.B. einer Handlung, einer Geste, eines Kunstwerks u. a.m. Im Hinblick auf solche Phänomene sind zwei Stufen der Bedeutungsexplikation zu unterscheiden: (a) eine auf die inhaltssemantische Sinnrelation gerichtete, die um das Verstehen der Bedeutung solcher Phänomene bemüht ist. Wenn ein solches Inhaltsverstehen Schwierigkeiten (des Verständnisses) nicht beseitigen kann, nimmt man Bezug auf eine zweite Stufe: (b) auf eine Bedeutungsexplikation i.S. des rekonstruktiven Verstehens, das sich auf das Verständnis der Regeln richtet, nach denen das betrachtete Phänomen hervorgebracht worden ist. In Bezug auf die Sprache z.B. richtet sich das Inhaltsverstehen auf beliebige Äußerungen, das rekonstruktive Verstehen auf das Regelbewusstsein des kompetenten Sprechers, das die Grammatikalität von Sätzen beurteilt.
Literatur:
- R. Carnap: Bedeutung und Notwendigkeit. Wien/New York 1972. S. 9 ff
- R. Carnap/W. Stegmüller: Induktive Logik und Wahrscheinlichkeit. Wien 1959. S. 15
- J. Habermas: Was heißt Universalpragmatik. In: K.-O. Apel (Hg.): Sprachpragmatik und Philosophie. Frankfurt 1976. S. 186 ff
- W. Stegmüller: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Stuttgart 41969. S. 374 ff
- D. Wunderlich: Grundlagen der Linguistik. Hamburg 1974. S. 209.
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