Metzler Lexikon Philosophie: Formalismus
(1) auch Hilbert-Programm. Reaktion auf das Auftreten von Antinomien in der Mathematik. Dabei wird der Versuch unternommen, der Mathematik eine sichere Grundlage zu geben, indem man die einzelnen mathematischen Disziplinen in formale Systeme fasst und dann mit einfachsten Mitteln der finitistischen Metamathematik zeigt, dass diese formalen Systeme widerspruchsfrei sind. Der F. ist vielfach angefochten worden, weil mathematische Wahrheit gleichsam mit Widerspruchsfreiheit identifiziert wird. Der ebenfalls geäußerte Vorwurf, dass im F. Mathematik als sinnleeres Zeichenspiel aufgefasst würde, besteht aber nicht zu Recht. Letztlich ist der F. gescheitert am Unvollständigkeitssatz von Gödel, aus dem sich zweierlei ergibt: (a) Keine der größeren mathematischen Disziplinen lässt sich adäquat in einem formalen System erfassen, (b) kein einigermaßen umfangreiches formales System kann mit einfachen Mitteln als widerspruchsfrei erwiesen werden.
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(2) Bezeichnung für eine axiomatische Theorie wie z.B. die Logikkalküle, deren Aussagen durch einen Kalkül der Ausdrucksbestimmungen gewonnen werden. Die Sätze oder wahren Aussagen der Theorie werden durch ein Kalkül der Satzbestimmungen, den Ableitungsregeln, erzeugt. – (3) Als kritischer Begriff wird er von Scheler gegen bestimmte Formen der Ethik, hauptsächlich gegen die Kantische Ethik, vorgebracht. Die sog. formalen Ethiken versuchen ohne inhaltliche Bezüglichkeit auf die Güter- und Dingwelt und ohne materiale Bestimmtheit irgendwelcher Glücksvorstellungen auszukommen, um so zu den formalen Bestimmungen der Allgemeinheit und Gesetzmäßigkeit von ethischen Normen oder Maximen zu gelangen. Die Pointe des F.-Vorwurfs liegt nicht allein in dem Verweis auf die fehlende Motivationskraft solcher Ethiken, da ihnen jeder Bezug zu einer sittlichen Welt fehlt, sondern eben auch in dem Aufzeigen, dass damit der grundlegende intentionale Charakter der sittlichen Akte nicht adäquat berücksichtigt werde. In phänomenologischer Bestimmung der wertenden und praktischen intentionalen Akte, wie sie von Brentano und Husserl beschrieben werden, resultieren Werte aus den Akten des Strebens und Wollens, Fühlens, des Vorziehens, des Liebens und Hassens.
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Literatur:
- zu (1): D. Hilbert: Grundlagen der Geometrie. Leipzig und Berlin 71930
- D. Hilbert/P. Bernays: Grundlagen der Mathematik. 2 Bde. Berlin 1934 und 1939
- zu (3): F. Brentano: Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis. Hamburg 1969. S. 14 ff
- E. Husserl: Die Gefühlsgrundlage der Moral. In: Vorlesungen über Ethik und Wertlehre (Hua Bd. 28). Dordrecht 1988. S. 384 ff
- Ders.: Kritik der Kantischen Ethik. In: a.a.O. S. 402 ff
- P. Prechtl: Husserls Gedanken zur praktischen Vernunft in Auseinandersetzung mit Kant. In: Perspektiven der Philosophie. Neues Jb. 17 (1991). S. 29 ff.
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