Metzler Lexikon Philosophie: Frieden
bezeichnet seit der Antike sowohl den kosmischen Ordnungszustand vollkommener Ruhe mit eschatologischer und moralischer Zielrichtung (geistlicher F.), als auch den vertraglich gesicherten, unvollkommenen weltlichen Rechtszustand, der zumindest die Abwesenheit von Gewalt voraussetzt (politischer F.). Wurde in der griech. Antike der F. als von den Göttern gewährte Pause im ewigen Krieg verstanden, herrschte im römischen Denken der juristische Aspekt vor. F. galt als sozialer Zustand, der die Qualität der gesellschaftlichen Verbundenheit und den Zustand der bloßen Gewaltlosigkeit umfasste. Die Übereinstimmung von F. und Recht ist seit Augustinus die Grundkategorie der ma., an der Eschatologie orientierten Weltordnung gewesen. Echter, wahrer F. ist nur im Verband mit Gerechtigkeit möglich, die durch Offenbarung erfahren wird. Davon ist der falsche, zeitlich begrenzte politische F., die schlechte Ordnung und der Gewalt-F. zu unterscheiden. Im Spätmittelalter wurde dem politischen F. des weltlichen Regiments zunehmend in der Theorie vorbereitende Funktion für den religiösen F. beigemessen (Thomas von Aquin, Dante), bis schließlich die politische Ordnung von der eschatologischen Bestimmung abgekoppelt wurde (Marsilius von Padua, Luther). Der politische F. ist als äußerer F. theologisch indifferent und damit vom inneren F. gelöst. Die Religionsspaltung hob die bestehende Bindung von Recht und F. auf, da gerade das durch die Offenbarung vermittelte Wissen um die wahren Güter umstritten war. Damit zerfiel jene die Willkür begrenzende Rechtsordnung, und die entfesselte Grausamkeit der konfessionellen Bürgerkriege begann. Ihre Beendigung und Verhinderung machten die Lösung der strittigen Glaubens- und Rechtsvorstellungen vom F. nötig, der nun als bürgerliche Sicherheit zum absoluten Staatszweck wurde (Hobbes). Der auf rationalem Naturrecht beruhende Staats-F. war ausschließlich auf Legalität ausgerichtet und berücksichtigte die Gesinnung der Handelnden nicht. Die Dichotomie von innerem und äußerem F. bezeichnet nun den innerstaatlichen und den zwischenstaatlichen Zustand. Letzterer entwickelt sich zum vorrangigen Bedeutungsfeld, da er auf labilen Verträgen beruht, deren Einhaltung nicht durch eine Gerichtsbarkeit sanktioniert, sondern durch Krieg reguliert wird. In der Aufklärung wurde wieder an der Verbindung von Recht und F. angeknüpft und der Staats-F. als despotischer Gewalt-F. abgelehnt. Durch die vernunftrechtliche innere Ordnung sollte der zwischenstaatliche F. erreicht werden, was bis zur Forderung nach einem letzten Weltbürgerkrieg gegen den Despotismus zur Erlangung des ewigen F., i.S. eines allgemeinen Menschheits-F., führte. Heute wird der negative, in bloßer Abwesenheit vom Krieg bestehende F. unterschieden vom positiven F. als gewaltfreier Konfliktregulation zur möglichst umfassenden Verwirklichung von Sicherheit, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Selbstverwirklichung. Hier knüpft der Versuch an, Alternativen zum weitgehend auf nuklearer Abschreckung beruhenden F. zu schaffen, etwa durch Erziehung zu sozialer Kompetenz, bei der F. durch rational zu rechtfertigende sittliche Entscheidungen verwirklicht wird.
Literatur:
- W. Janssen: »Frieden«. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Stuttgart 1978. S. 543 ff
- C. v. Krockow: Gewalt für den Frieden? München 1983
- K. v. Raumer: Ewiger Frieden. München/Freiburg 1953
- D. Sternberger: Die Politik und der Frieden. Frankfurt 1986.
JP
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