Metzler Lexikon Philosophie: Gehalt
(I) Man bezieht sich auf den G., um mindestens drei Eigenschaften zu bestimmen, die sowohl auf mentale Zustände wie auf sprachliche Ausdrücke zutreffen: (1) Mentale Zustände und Sätze sind wahr oder falsch aufgrund ihres G.s; (2) der G. bestimmt die Weise, wie sich ein mentaler Zustand oder ein Ausdruck auf einen Gegenstand bezieht; (3) bei psychologischen Erklärungen beziehen wir uns auf den G. eines mentalen Zustandes oder eines vom Subjekt akzeptierten Satzes. Diese drei Eigenschaften bestimmen unterschiedliche Kriterien für die Differenzierung von G.en. Zwei mentale Zustände haben einen unterschiedlichen G., (1) wenn sie in unterschiedlichen möglichen Welten wahr sind; (2) wenn unterschiedliche Faktoren für die Tatsache verantwortlich sind, dass sie sich auf denselben Gegenstand beziehen; (3) wenn sich ein rationales Subjekt aufgrund der beiden Zustände unterschiedlich verhält. Ähnliche Kriterien lassen sich für den G. sprachlicher Ausdrücke festlegen. Oft wird argumentiert, dass es keinen einheitlichen Begriff von G. gibt. So haben beispielsweise die beiden Aussagen (1) »ich bin in Berlin« und (2) »du bist in Berlin«, wobei sich »ich« und »du« auf dieselbe Person beziehen, nach dem ersten Kriterium denselben, nach dem zweiten und dem dritten hingegen einen unterschiedlichen Gehalt. Mit (1) und (2) beziehen sich zwei Menschen in unterschiedlicher Weise auf dieselbe Person, und ein rationales Subjekt, das (1) akzeptiert, wird sich unter normalen Umständen anders verhalten, als wenn es (2) akzeptiert.
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(II) Im Hinblick auf die Frage, in welchem Sinn von der Bewährung einer empirisch-wissenschaftlichen Theorie gesprochen werden kann, macht Popper den Vorschlag, die Bewährung einer Theorie von ihrer Falsifizierbarkeit abhängig zu machen, d.h., dass eine Theorie empirischen G. haben muss. Der empirische G. ist definiert als die Klasse der Falsifikationsmöglichkeiten der Theorie. Dabei schlägt Popper vor, eine Theorie mit größerem empirischen G. derjenigen mit geringerem empirischen G. vorzuziehen, da Erstere mehr über die Wirklichkeit aussagt und vielseitiger getestet werden kann (was ihre Falsifikationsmöglichkeit erhöht). Die Klasse aller nicht mit einer Theorie zu vereinbarenden Sätze bezeichnet Popper als den Informationsgehalt dieser Theorie, als logischen G. die Klasse aller nicht-tautologischen Konsequenzen einer Theorie. Ein Gehaltvergleich bietet sich dann an, wenn zwei konkurrierende Theorien dasselbe Problem zu lösen versuchen. Mehr G. hat diejenige Theorie, die zum einen alle Fragen mit derselben Genauigkeit beantworten kann, welche auch die ihr konkurrierende Theorie beantwortet, und zum anderen darüber hinaus noch weitere Fragen löst. Der Gehaltvergleich hat zum Ziel, die gehaltvollste und überprüfungswürdigste Theorie zu ermitteln. [PP]
Literatur:
- C. McGinn: Mental Content. Oxford 1989
- C. Peacocke: Sense and Content. Oxford 1983
- Zu: empirischer Gehalt: K. Pähler: Qualitätsmerkmale wissenschaftlicher Theorien. Tübingen 1986
- Ders.: Bewährung, Gehalt, Verisimilitude. In: Handlexikon zur Wissenschaftstheorie. Hg. v. H. Seiffert/G. Radnitzky. München 1989. S. 20 ff
- K. Popper: Logik der Forschung. Tübingen 81984
- Ders.: Objektive Erkenntnis. Hamburg 41984.
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