Metzler Lexikon Philosophie: Gesetzesartigkeit
Dem Problem der G. wird in der gegenwärtigen Diskussion der Wissenschaftstheorie grundlegende Bedeutung beigemessen, da die Klärung der G. auch ein Beitrag zur Klärung des wissenschaftlichen Erfahrungsbegriffs und der induktiven Bestätigung darstellen würde. Ausgehend von der Festlegung, dass jede Gesetzesaussage die syntaktische Form einer All-Aussage hat (oder mit einer solchen äquivalent sein muss), ergibt sich die Notwendigkeit, aus dem Kreis der Gesetzesaussagen solche kontingenten All-Aussagen wie z.B. »Alle Äpfel in diesem Korb sind rot« auszuscheiden. Goodman schlägt dazu den metatheoretischen Begriff der G. vor, um damit alle Aussagen zu bezeichnen, die alle Merkmale eines Gesetzes außer dem der Wahrheit besitzen. Eine solche Differenzierung bietet sich aus zwei Gründen an: (1) Es gibt zahlreiche Aussagen, die wahr, aber keine Gesetze sind – d.h. Wahrheit ist keine hinreichende Bedingung für G. (2) Es gibt in der Geschichte der Wissenschaften zahlreiche Aussagen, die ursprünglich für wahr gehalten und schließlich falsifiziert wurden, obwohl ihnen G. zugesprochen werden muss – d.h. Wahrheit ist keine notwendige Bedingung für G. Goodmans Vorschlag geht dahin, das Gesetz als eine Aussage zu definieren, die gesetzesartig und wahr ist. Dadurch wird nicht allen gesetzesartigen Aussagen der Status von Gesetzen zugesprochen. Um die kontingenten All-Aussagen auszuschließen, bedarf es noch einer weiteren Differenzierung: Für kontingente All-Aussagen ist es charakteristisch, dass sie sich auf Gegenstände beziehen, die nach Ort und Zeit bestimmt sind. Andererseits sind auch die Kepler’schen Gesetze an örtlich und zeitlich bestimmte Objekte (d.i. die Planeten unseres Sonnensystems) gebunden. Um beiden Umständen Rechnung zu tragen, schlägt Carnap vor, zwischen fundamentalen und abgeleiteten gesetzesartigen Aussagen zu unterscheiden und für die fundamentalen die Forderung aufzustellen, von Ort-und Zeitangaben frei zu sein. Poppers Forderung, dass eine gesetzesartige Aussage eine streng und nicht nur numerisch universelle (d.h. durch Aufzählung determinierbare) Aussage sein müsse, weist auf einen anderen zu berücksichtigenden Aspekt hin. Als allgemeinen Lösungsvorschlag für die genannten Probleme formuliert Stegmüller: Eine Aussage ist genau dann gesetzesartig, wenn sie vor Überprüfung aller ihrer Einzelfälle annehmbar ist und wenn außerdem ihre Annahme nicht von der Überprüfung von vorneherein bestimmter Einzelfälle abhängt.
Literatur:
- R. Carnap: Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften. Frankfurt/Berlin 1986
- N. Goodman: Tatsache, Fiktion, Voraussage. Frankfurt 1975
- K. Popper: Note on Natural Laws and Contrary-to-fact Conditionals. In: Mind 58 (1948)
- W. Stegmüller: Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie. Bd. 1. Berlin/Heidelberg/New York 1969. S. 283 ff.
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