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Metzler Lexikon Philosophie: Handlung

Der grundlegende philosophische Begriff der H. wurde von Aristoteles in der Nikomachischen Ethik entwickelt. Ausgehend von der Bestimmung, dass alles sinnvolle Tun zielgerichtet ist, unternimmt er eine entscheidende Differenzierung im Hinblick auf die Art der Zielgerichtetheit. In dem einen Fall einer H., die er als Poiesis bezeichnet, sind die Ziele Werke (ergon) oder Produkte jenseits des Tuns, im anderen Fall realisiert sich das Ziel in der Tätigkeit selber (energeia). Kennzeichnend für die als Praxis bezeichnete H. ist, dass ihr Ziel im Vollzug selbst liegt, d.h. das praktische Ziel fällt mit dem Handlungsvollzug zusammen. Als Beispiele solcher H.en lassen sich das Sehen oder Betrachten, das Nachdenken, das Leben oder die sinnvolle Lebensgestaltung anführen. Das Ziel einer solchen H. kann nicht im Sinne eines Ergebnisses des Handlungsvollzuges bestimmt werden. Bspw. geschieht das Überlegen im Vollzug des Nachdenkens. Das für die Ethik relevante Beispiel des Aristoteles ist der Lebensvollzug, dessen Aktualisierung Ziel in sich ist. Das Ziel eines solchen Handelns ist das geglückte Leben (Eudaimonie). Es lässt sich nicht nach irgendwelchen materiellen Glücksvorstellungen bestimmen, sondern erweist sich als gelungenes Handeln. Eine inhaltliche Bestimmung des Handlungszieles, die von der Handlungsstruktur und der Handlungsfolge in der Einheit des Lebenszusammenhanges absieht, erscheint von daher nicht möglich.

Ausgehend von diesen Unterscheidungen des Aristoteles lassen sich eine Reihe von Elementen des Handelns benennen: (1) Dem Handeln ist eine intentionale Struktur, d.h. eine Zielgerichtetheit eigen. Eine (funktionalistische) Deutung der H. als Mittel zur Realisierung eines Zweckes verfehlt die spezifische Struktur der H. als Vollzug. Denn ein jedes Handeln vollzieht sich in einem situativen Kontext. (2) Ein solcher Kontext stellt in gleicher Weise die Grenzen und die Ermöglichungsbedingungen dar. Im Vollzug der H. antworten wir auf die ständigen Veränderungen in der Situation. H. und H.kontext bilden ein Ganzes, das sich erst mit unseren Situationswahrnehmungen und H.en zugleich herausbildet, und zwar über einen vielfachen Wechsel von Versuchen der Situationsdefinition und H.gestaltung (Schwemmer). (3) Der vorliegende Kontext ist nicht nur in einem gegenständlichen Sinne zu verstehen, sondern als interpersonaler Zusammenhang. (4) Für die H. in einem situativen Kontext lassen sich formale Situationsmerkmale benennen: Die Zeitlichkeit des Handelns bedeutet Unwiderruflichkeit und Unmöglichkeit des Ungeschehenmachens. Jede H. schafft auch neue Situationen, die nur bedingt rückgängig zu machen sind, indem neues Handeln die Folgesituationen wieder umgestaltet. Ebenso könnte natürlich das Handeln unterbleiben. Da dies aber innerhalb eines H.raumes stattfindet, hat auch der Entschluss zur Nicht-H. einen H.charakter. (5) Die Zeitlichkeit der H. bedeutet nicht eine lineare Abfolge von Einzelhandlungen. Vielmehr handeln wir in einem verzweigten und vielfältigen Netz von Absichten und H.zusammenhängen. Aus diesem Grund ist die H. nicht i.S. eines feststehenden Schemas zu deuten, sondern jede H. ist Teil einer Sinnstruktur, die den Zusammenhang zu anderen H.en und Situationen bildet. (6) Die H. des Einzelnen trägt trotz seiner Verbindung zum H.kontext das Merkmal der Partikularität. Darin artikuliert sich, was aus dem H.kontext aufgegriffen und in eine H.intention überführt wird. (7) Durch jede H. werden Bedingungen für nachfolgendes Handeln geschaffen, die ihrerseits wieder H.en als Antworten ermöglichen und hervorrufen. (8) Die genannten Sinnstrukturen entwickeln sich selbst erst mit ihrer jeweiligen Verwirklichung. Die Regel, nach der in ihnen unsere Einzelhandlungen in einen Zusammenhang gebracht werden, existiert nicht als eine Erzeugungsregel schon vor und unabhängig von unserem Handeln, sondern entsteht mit diesem Handeln selbst (Schwemmer).

Eine Theorie des zweckrationalen Handelns hat zum einen einen allgemeinen Begriff von Handeln als intentionale und tätige Verwirklichung von Zielen und zum anderen einen angemessenen Begriff von Subjektivität zu explizieren: Dem Handeln ist in dem Sinne eine H.orientierung eigen, dass es auf die Erreichung bzw. Verwirklichung eines Zieles ausgerichtet ist. Unter einem Ziel ist ein gewünschter Zustand der Realität i.w.S. zu verstehen, der gegenwärtig noch nicht erreicht, aber prinzipiell durch eine bestimmte (geeignete) Tätigkeit seitens des Handelnden oder im Vollzug des Handelns selber erreichbar scheint und so von dem Subjekt antizipiert wird. Für das Erreichen des Zieles sind die in realen Sachzusammenhängen begründeteten Bedingungen zu berücksichtigen, die durch entsprechende Tätigkeiten zuerst hergestellt werden müssen, damit das Ziel erreicht wird. Für das Ziel-Mittel-Verhältnis sind mehrere Momente zu berücksichtigen: (1) die Zielorientierung impliziert in der Regel, dass das Ziel erst in mehreren Schritten erreichbar ist, d.h. es erfordert das Realisieren von mehreren Zwischenzielen und eine Abfolge der Erfüllung von mehreren Bedingungen – sequentielle Struktur des Handelns. (2) Häufig müssen mehrere Bedingungen simultan erfüllt bzw. hergestellt sein, d.h. es gilt, mehrere Handlungsketten nebeneinander zu koordinieren und zu planen. (3) Häufig ergeben sich alternative Bedingungsketten, die sich in relevanten Merkmalen wie Aufwand, Effektivität, Zeitdauer, Wahrscheinlichkeit des erwarteten Ablaufs oder in den Nebenfolgen unterscheiden.

Literatur:

  • R. Bubner: Handlung, Sprache und Vernunft. Frankfurt 1976. S. 74 ff
  • D. Geulen: Perspektivenübernahme und soziales Handeln. Frankfurt 1982. S. 24 ff
  • F. Kaulbach: Einführung in die Philosophie des Handelns. Darmstadt 1982
  • O. Schwemmer: Handlung und Struktur. Frankfurt 1987. S. 42 ff
  • W. Wieland: Praxis und Urteilskraft. Zeitschrift f. philos. Forschung 28. 1984. S. 32 ff.

PP

  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
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KE Klaus Eck, Würzburg
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KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
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KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
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KK Klaus Kahnert, Bochum
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KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
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MD Max Deeg, Cardiff
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ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
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MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
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MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
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REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
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RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
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SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
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TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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