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Metzler Lexikon Philosophie: Intentionalität

In einem allgemeinen Verständnis bezeichnet I. die Zielgerichtetheit des Handelns oder der Gefühle. Als philosophischer Terminus wurde er von Brentano zur Charakterisierung der psychischen Phänomene eingeführt. In seiner Psychologie vom empirischen Standpunkt zeigt Brentano auf, dass den psychischen Phänomenen wie Denken, Lieben und Hassen eine intentionale Struktur eigen ist. Zur näheren Charakterisierung führt er den Begriff der »mentalen Inexistenz« an. Er erläutert dies als eine Beziehung auf einen Inhalt, ein Gerichtetsein auf ein Objekt oder auch als immanente Gegenständlichkeit. Brentano verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das »Etwas-als-etwas-Vorstellen« der Eindeutigkeit des Begriffs entsprechen müsse, indem das Etwas als Reales i.S. eines obersten Gattungsbegriffs für Dingliches aufzufassen sei. – Husserl macht sich den Begriff der I. zunutze, um die intentionale Struktur des Bewusstseins als Korrelationsapriori zu beschreiben: Akte des Vermeinens stehen in einem Bezug zu dem vermeinten Gegenstand. Der methodische Schritt der phänomenologischen Reduktion ermöglicht ihm die Analyse der intentionalen Bewusstseinsstruktur: Er unterscheidet zwischen reellen und intentionalen Gehalten. Als reelle Gehalte bestimmt er die Empfindungskomplexionen und den Auffassungssinn (Apperzeption) – die Empfindungskomplexionen unterliegen immer schon dem Auffassungssinn. In den Ideen bezeichnet er diese Akte des Vermeinens als Noesis. Als irreeller Gehalt des Bewusstsein wird der intentionale Gegenstand (das Vermeinte als solches), d.h das Noema, bezeichnet. In der Korrelation von Noesis und Noema zeigt sich die I. Der vermeinte Gegenstand (d.i. das Noema) kann das Resultat einer vielstufigen Synthesis sein, in der mannigfaltige Noesen zur Einheit eines Gegenstandsbewusstseins zusammengefasst sind. Husserl führt zudem als spezifische Eigenheit die intentionale Struktur des Horizontbewusstseins an. D.h. den jeweils vermeinten Horizont umgibt ein Horizont von unthematisch Mitgemeintem. – Searle erörtert I. im Rahmen der These, dass Sprache sich von I. herleite. Er beschreibt wie Brentano und Husserl die I. als diejenige Eigenschaft vieler geistiger Zustände oder Ereignisse, durch die sie auf Gegenstände oder Sachverhalte in der Welt gerichtet sind oder von ihnen handeln. Solche intentionalen Zustände haben einen Repräsentationsgehalt (ausgedrückt durch eine Proposition wie »dass sie den Raum verlassen werden«) und einen psychischen Modus (z.B. Überzeugung, Befürchtung, Hoffnung u.a.m.), in dem dieser Repräsentationsgehalt aufgefasst ist. Der Modus legt dabei eine spezifische Form der Geist-auf-Welt-Ausrichtung fest, der propositionale Gehalt legt eine Menge von Erfüllungsbedingungen fest. – Chisholm knüpft an Brentanos Unterscheidung zwischen physischen und psychischen Phänomenen an, indem er zeigt, dass zur Beschreibung physischer Phänomene keine intentionalen Sätze benötigt werden, zur Beschreibung der psychischen jedoch verwendet werden. Zur Charakterisierung intentionaler Sätze versucht er eindeutige Kriterien zu benennen.

In der gegenwärtigen Diskussion wird die Annahme der I. einer eingehenden Kritik unterzogen. Als Ausgangspunkt der Debatte kann man den naturwissenschaftlich inspirierten Standpunkt betrachten, der die Annahme, bei der I. handle es sich um eine spezifische Eigenschaft psychischer Vorkommnisse, in Frage stellt. Auch wenn es ein unmittelbares Bewusstsein der eigenen intentionalen Erlebnisse geben mag, so könne doch die innere Wahrnehmung nicht der Maßstab für eine korrekte wissenschaftliche Beschreibung sein. Vom Standpunkt der Einheitswissenschaft aus muss sich das Phänomen der I. aus der Beobachterperspektive (d.i. die Perspektive der »dritten Person«) beschreiben und erklären lassen. Es wäre also erst noch auszuweisen, dass bei der Verwendung des intentionalen Vokabulars etwas Reales beschrieben wird. In der Reaktion auf diese kritische Perspektive haben sich zwei grundlegende Positionen herausgebildet: die nonfaktualistischen Theorie der I. und der intentionale Realismus. Repräsentativ für die non-faktualistische Position von I. vertritt Dennett die Auffassung, dass intentionale Aussagen nicht als Tatsachenbeschreibungen gewertet werden dürfen, vielmehr ermöglichen sie, durch die Zuschreibung von Wünschen und Überzeugungen das Verhalten von Individuen rational verständlich zu machen. Aus solchen Zuschreibungen können keine kausalen Gesetzmäßigkeiten des Verhaltens geschlossen werden. Repräsentativ für den intentionalen Realismus macht Dretske geltend, dass I. aus natürlichen Indikatoren entsteht. Man müsse davon ausgehen, dass es so etwas wie eine natürliche Repräsentation unabhängig von menschlichen Absichten gibt. Bspw. zeigen Geruchsspuren in der Tierwelt die Bewegungsrichtung eines Tieres an und dienen gleichzeitig anderen Tieren zur Orientierung. Aus solchen natürlichen Indikatoren können nach Auffassung von Dretske anspruchsvollere Formen von I. entstehen. – Searle geht davon aus, dass I. die Eigenschaft vieler geistiger Zustände und Ereignisse ist, durch die sie auf Gegenstände oder Sachverhalte in der Welt gerichtet sind. So müssen Überzeugungen und Wünsche immer von etwas handeln (und insofern sind sie auf etwas gerichtet). Er macht geltend, dass intentionale Zustände Gegenstände und Sachverhalte in demselben Sinne repräsentieren, in dem Sprechakte diese repräsentieren. Er vertritt die These, dass sich Sprache von I. herleitet und nicht umgekehrt.

Literatur:

  • W. Bechtel: Philosophy of Mind. New Jersey 1988
  • P. Bieri (Hg.): Analytische Philosophie des Geistes. Bodenheim 2. verb. A. 1993
  • Ders.: Intentionale Systeme. In: J. Brandstätter (Hg.): Struktur und Erfahrung in der psychologischen Forschung. Berlin 1987. S. 208–252
  • J. L. Brandl: Das Problem der Intentionalität in der zeitgenössischen Philosophie des Geistes. In: Information Philosophie 1998, Heft 3
  • F. Brentano: Psychologie von einem empirischen Standpunkt. 2 Bde. Hamburg 1973/1971
  • R. M. Chisholm: Die erste Person. Frankfurt 1992
  • Ders.: Sätze über Glauben. In: P. Bieri (Hg.): Analytische Philosophie des Geistes
  • Ders./W. Sellars: Intentionality and the Mental. In: H. Feigl u.a. (Hg.): Minnesota Studies in Philosophy of Science II. Minneapolis 1958
  • U. Claesges: Intentionalität. In: HWPh
  • D. C. Dennett: The Intentional Stance. Cambridge/Mass. 1987
  • F. Dretske: If you Can’t Make One, You Don’t Know How it Works. In: P. A. French u. a. (Hg.): Philosophical Naturalism. Univ. of Notre Dame Press 1994
  • H. Field: Mental Representation. In: St.P. Stich/T. A. Warfield (Hg.): Mental Representation. Oxford 1984
  • J. Fodor: Propositional Attitudes. In: Ders.: Representations. Cambridge 1981. S. 177–203
  • E. Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Hua III/1
  • P. Prechtl: Die Struktur der Intentionalität bei Brentano und Husserl. In: Brentano Studien 2 (1989). S. 117–130
  • J. Searle: Intentionalität. Frankfurt 1987
  • R. Stalnaker: Inquiry. Cambridge/Mass. 1987.
  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
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BG Bernward Gesang, Kusterdingen
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BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
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BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
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CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
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CO Clemens Ottmers, Tübingen
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CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
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CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
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DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
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DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
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FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
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GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
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HG Helmut Glück, Bamberg
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HL Hilge Landweer, Berlin
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HS Herbert Schnädelbach, Berlin
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JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
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JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
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KE Klaus Eck, Würzburg
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PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
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RS Regina Srowig, Würzburg
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SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
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UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
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VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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