Metzler Lexikon Philosophie: Interpretation
(1) logisch-semantisch: Eine I. sprachlicher Ausdrücke über einen Bereich von Dingen (ein Universum) ist eine auf der Ebene der Metasprache zu beschreibende zweistellige Relation, die auf eine eindeutige Art Gegenstandsausdrücke den Elementen des Universums, oder Eigenschaftsausdrücke den Klassen von solchen Elementen oder Beziehungsausdrücke den Relationen zwischen Elementen zuordnet; sie bildet die deskriptiven (auch: kognitiven) Ausdrücke im Sinne dieser Zuordnung auf Entitäten der genannten Art ab. – (2) Als Begriff der Prädikatenlogik: Einer I. der Prädikatenlogik müssen wir einen Bereich von Gegenständen, der mindestens ein Objekt enthalten soll, zugrundelegen. Die Gegenstandskonstanten werden dann als Namen für Objekte dieses Gegenstandsbereichs und die Prädikatenkonstanten als Umfänge von Begriffen, die sich auf diese Objekte beziehen, gedeutet. Eine Interpretation V der Prädikatenlogik über einen Gegenstandsbereich G ist eine Vorschrift, die jeder Gegenstandskonstante a ein Objekt V(a) aus dem Gegenstandsbereich G, jeder Prädikatenkonstanten F den Umfang V(F) eines Begriffs und jedem Satz einen Wahrheitswert zuweist. Mit Hilfe des Begriffs der I. können wir die Begriffe der prädikatenlogischen Wahrheit von Sätzen und der prädikatenlogischen Gültigkeit von Schlüssen definieren: Eine I. V erfüllt einen Satz A genau dann, wenn V(A) = wahr gilt. Ein Satz ist prädikatenlogisch wahr genau dann, wenn alle I.en den Satz A erfüllen. – (3) Als Begriff der Wissenschaftstheorie bedeutet I. die pragmatische Zuordnung von soziokulturellen Inhalten zu einer semantisch bereits gedeuteten Sprache (d.h. die semantische Zuordnung von Bedeutung zu syntaktischen Zeichen). Dieses Zuordnungsverfahren wird nach unterschiedlichen Gesichtspunkten thematisiert: (a) Die hermeneutische Richtung beschäftigt sich mit den subjektiven und intersubjektiven Bedingungen der I., den individuellen und den gesellschaftlich-geschichtlich begründeten Vormeinungen als Grundlage eines jeden Verstehens und Verstehensprozesses. Zum großen Teil wird die I. als methodische Durchführung des Verstehens an einem Text behandelt. (b) Die analytische Richtung erörtert das Verfahren der I.: Als methodologische Analyse befasst sie sich mit der Festlegung methodologischer Regeln, den Prozessen der Hypothesenbildung, -systematisierung und -prüfung. Dazu formuliert sie folgende Regeln: (1) Als grundlegende Annahme gilt, dass jeder zu interpretierende Text einen Sinnzusammenhang (welcher Art auch immer) besitzt; (2) der Interpret geht von einer Haupthypothese aus und systematisiert sämtliche Unterhypothesen, indem er diese nach ihren logischen Abhängigkeitsverhältnissen anordnet; (3) ausgehend von allen singulären Detailhypothesen ist zu analysieren, wie weit der Interpret diese durch unabhängige methodische Verfahren prüft und damit seinen übergeordneten Hypothesen evtl. Geltung verschafft. I. wird deshalb definiert als methodisch überprüfte hypothetische Entschlüsselung eines methodologisch vorausgesetzten Sinnzusammenhanges. Die dafür bereitstehenden Prüfungsverfahren bestehen entweder in (umgangssprachlichen) Handlungsanweisungen wie Herstellen kritischer Lesarten, Aufzeigen und Vergleich von Parallelstellen des Textes, Belegtextverfahren oder in technischen Verfahren, die als linguistische und mathematisch-statistische oder als experimentell-psychologische Untersuchungen vorgenommen werden können.
Literatur:
- W. K. Essler/R. F. M. Cruzado: Grundzüge der Logik I. Das Logische Schließen. Frankfurt 41991. S. 284
- H. Güttner: Logik der Interpretation. München 1973
- F. v. Kutschera/A. Breitkopf: Einführung in die moderne Logik. Freiburg/München 1971. S. 86 ff.
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