Metzler Lexikon Philosophie: Klasse
(1) Geht man in der formalen Logik von den Individuen aus, auf die ein Prädikat zutrifft (extensionale Betrachtungsweise), und fasst diese Individuen, auf welche dieses Prädikat zutrifft, zusammen, erhält man eine K., z.B. »die Einwohner Kölns« oder »die Eishockeyfans«, »die Pfeifenraucher«. Die K. ist die Extension eines Allgemeinbegriffs oder eine Universale. Alles, was als Eigenschaft in einem einstelligen Prädikator auftreten kann, kann auch eine K. bilden (z.B. die K. der Großnasigen). Die Ausdrücke »Eigenschaft« und »K.« können in der formalen Logik als gleichwertig angesehen werden, da in ihnen nicht die Frage der Intension dieser Wörter eine Rolle spielt, sondern deren Anwendungsbereich; z.B. können die Eigenschaften »Lebewesen mit Herz« und »Lebewesen mit Nieren« insofern als identisch angesehen werden, da unsere faktische Interpretation der Sprache beiden Ausdrücken die gleiche K. von Dingen zuordnet. – Die Individuen, die unter das der K. entspechende Prädikat fallen, sind die Elemente der K. Als Komplementklasse (von einer K. K) bezeichnet man diejenige K., die all die Gegenstände umfasst, die keine Elemente der K. K sind (z.B. K. der Schwimmer, Komplementklasse der Nichtschwimmer). Als Vereinigung (oder Logische Summe) zweier K.n wird die aus den K.n K und L entstandene neue K. bezeichnet. z.B. bilden die volljährigen Studenten und die minderjährigen, nicht-studierenden Jugendlichen die logische Summe aus den K.n der Studenten und der Jugendlichen (die z.B. ermäßigten Eintritt erhalten sollen). Als Logisches Produkt wird der Durchschnitt aus zwei K.n K und L bezeichnet, z.B. die Automechaniker als K-Klasse und die Handwerkermeister als L-Klasse ergibt die K. der Kfz-Meister. Die Klassendifferenz zweier K.n K und L ist so zu verstehen, dass aus einer größeren K. eine Teilklasse L ausgegliedert wird, woraus sich eine Restklasse ergibt, wie z.B. die K. der vierrädrigen Kraftfahrzeuge ohne die Teilklasse der Lastfahrzeuge die Restklasse der Personenfahrzeuge ergibt. Als wichtigste Klassenaussagen sind zu nennen: die Gleichheit, die Subsumtion, die (strikte) Inklusion, die Umschließung, die Überschneidung, die Gemeinsamkeit, die Fremdheit. Die Gleichheit zweier K.en wäre gegeben, wenn z.B. K die Mitglieder eines Sportvereins sind und L die Mitglieder eines Gesangsvereins sind und alle Mitglieder des Sportvereins auch Mitglieder des Gesangsvereins sind und ebenso umgekehrt, so dass beide Vereine dieselben Mitglieder umfassen, dann gilt die Gleichheit K = L; bei der Subsumtion (auch als Inklusion bezeichnet – K sub L) wäre K in L enthalten, wobei in L auch Mitglieder enthalten sein könnten, die nicht zu K gehören, dagegen liegt bei der strikten Inklusion (K in L) fest, dass in L tatsächlich auch noch andere Mitglieder als nur die K enthalten sind. Die Umschließung (als Umkehrung der Inklusion – K um L) ist eine Aussage aus zwei K.n: Wenn z.B. K alle Mitglieder des Sportvereins sind und L die passiven, d.h. diejenigen, die nicht mehr aktiv an Sportwettkämpfen teilnehmen, dann heißt das: K umfasst L. Überschneidung (K über L) heißt eine Aussage, wenn ein Teil der Mitglieder von K auch Mitglieder von L sind, und ein Teil der Mitglieder von L auch zu K gehören. Gemeinsamkeit (K gemeinsam L) als Klassenaussage bedeutet, dass die beiden K.n K und L wenigstens ein Element gemeinsam haben, während die Fremdheit (K fremd L) als Gegenstück dazu bedeutet, dass sie kein Element gemeinsam haben.
(2) Soziologisch: In den politisch-ökonomischen Analysen von Marx spielt der Begriff der K. eine zentrale Rolle. Ausgehend von dem Gegensatz von Kapital und Arbeit rekonstruiert er die ungleiche Verteilung des Reichtums, der in gesellschaftlicher Arbeit erwirtschaftet wird. Die Eigentümer der Produktionsstätten erhalten den Gewinn, während die eigentlich Produzierenden ihre Arbeitskraft zum Zwecke der Existenzsicherung gegen Entgelt verkaufen müssen. Mit dieser Ungleichheit geht eine zweite einher: Die ökonomisch herrschende Schicht stellt auch die politisch bestimmende K. dar. Dem Gegensatz von Kapital und Arbeit entspricht auf der Ebene des Bewusstseins der Gegensatz von Bourgeoisie und Proletariat. Aufgrund der Entwicklung der Produktivkräfte unterstellt Marx der K. der Arbeiter eine Bewusstseinsentwicklung, die den Gegensatz zwischen ihrer ökonomischen Lage und ihrer Leistung bei der Schaffung des gesellschaftlichen Reichtums zum Anlass nimmt, um diesen Gegensatz in einem revolutionären Akt zu beseitigen und damit gleichzeitig jedem Klassengegensatz ein Ende zu bereiten.
Literatur:
- zu (1): A. Menne: Einführung in die Logik. Tübingen 41986. S. 75 ff
- zu (2): H. Fleischer: Marx und Engels. Freiburg/München 1970
- K. Hartmann: Die Marxsche Theorie. Berlin 1970
- G. Lukács: Geschichte und Klassenbewußtsein. Darmstadt/Neuwied 1968
- K. Marx: Das Manifest der kommunistischen Partei. In: MEW 4. S. 459–493
- Ders.: Das Kapital (MEW 23).
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