Metzler Lexikon Philosophie: Logischer Empirismus
(Wiener Kreis), eine philosophische Position, die aus ihrer Orientierung an den Naturwissenschaften heraus den Anspruch an Rationalität in der Philosophie sicherzustellen sucht durch Eingrenzung derjenigen Begriffe und Sätze, die als sinnvoll bzw. intersubjektiv verständlich anzusehen sind. Dies ist nur für solche Begriffe gegeben, über deren Anwendbarkeit man – abgesehen von den formalen Begriffen der Logik und Mathematik – in jedem konkreten Fall allein mit Hilfe von Beobachtungen entscheiden kann, und nur für solche Sätze gegeben, die nach wahr oder falsch beurteilbar sind: Beschreibende Aussagen werden durch Beobachtung und Wahrnehmung als wahr oder falsch ausgewiesen, Aussagen der Logik und Mathematik als analytische, d.h. sich allein aus dem Sinn der verwendeten Ausdrücke ergebende Wahrheit oder Falschheit. Entsprechend formulieren das Sinntheorem und das Basistheorem die Grundannahmen für alle philosophischen Aussagen: Das Sinntheorem besagt, dass nur deskriptive, tautologische und kontradiktorische Sätze (Deskription, Tautologie, Kontradiktion) als sinnvolle sprachliche Zeichenfolgen gelten können und alle anderen als sinnlos anzusehen sind. Das Basistheorem besagt, dass alle empirischen Aussagen oder Ausdrücke auf die Beobachtungsbasis reduziert werden müssen bzw. dass die Basis eines wissenschaftlichen Systems durch den Bezug der undefinierten Grundbegriffe auf unmittelbar Aufweisbares sicherzustellen ist. Die Wissenschaftlichkeit der Philosophie soll dadurch gewährleistet werden, dass auch für die philosophischen Aussagen genaue Überprüfungskriterien aufgestellt werden. Wo eine Benennung solcher Kriterien nicht möglich ist, sind die betreffenden Fragen aus der Klasse der sinnvollen Fragen als Scheinprobleme auszusondern. Die Eingrenzung der wissenschaftlich akzeptierten Aussagen auf entweder rein logisch begründbare oder auf solche zumindest im Prinzip empirisch überprüfbare Aussagen soll intersubjektiven Gültigkeitskriterien Genüge leisten. In der Konsequenz dieser Theoreme liegt einerseits die Abgrenzung zu anderen philosophischen Positionen, indem die (nichtempirischen) Sätze der Metaphysik als Scheinsätze abqualifiziert werden, und andererseits die Ausrichtung der Philosophie auf die Wissenschaftslogik und die programmatische Forderung einer Einheitswissenschaft. Die Kritik an der Metaphysik beinhaltet eine Absage an Versuche mancher Philosophien, durch begriffliche Konstruktionen und ohne empirische Überprüfung Aufschluss über die Beschaffenheit und die Gesetze der wirklichen Welt zu gewinnen. – Von dem von Mill und Spencer vertretenen Empirismus unterscheidet sich der l. E. darin, dass er nicht dessen Ansicht teilt, alle Erkenntnis und Wissenschaft, auch die Gesetze der Logik und Mathematik, seien aus der Erfahrung abzuleiten und zu begründen. Für die Sätze der Logik und Mathematik beansprucht er vielmehr analytische Geltung, d.h. diese sind bereits auf Grund der Definitionen der Begriffe, aus denen sie bestehen, bzw. auf Grund ihrer logischen Form als wahr oder falsch erkennbar. – Das Gelingen des l.n E. als erkenntnistheoretische Position hängt von der befriedigenden Klärung der kognitiven Sinnhaftigkeit (Signifikanz), der Beobachtungsbasis, der Basissätze und des Verhältnisses von Beobachtungs- und Theoriesprache ab.
Literatur:
- R. Carnap/H. Hahn/O. Neurath: Wissenschaftliche Weltauffassung – der Wiener Kreis. Wien 1929
- R. Haller: Neopositivismus. Eine historische Einführung in die Philosophie des Wiener Kreises. Darmstadt 1993
- V. Kraft: Der Wiener Kreis – Der Ursprung des Neopositivismus. Wien 1968
- M. Schlick: Die Wende der Philosophie. In: Gesammelte Aufsätze. Hildesheim 1969. S. 31–39
- W. Stegmüller: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Stuttgart 41969. S. 346–428.
PP
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