Metzler Lexikon Philosophie: Monade, Monadologie
(griech. monas: Einheit), das zur Lösung metaphysischer Probleme dienende Kernstück der Leibniz’schen Philosophie. Der Begriff »M.« steht für die letzten Elemente der Wirklichkeit; die Monadologie ist die Lehre von den M.n oder einfachen Substanzen. Deren notwendiges Vorhandensein begründet Leibniz mit der Existenz zusammengesetzter, d.h. aus Teilen bestehender Dinge, die nur eine Aggregation oder Häufung von M.n sind. Das Kriterium einer Substanz ist ihre Wirkung, d.h. Kraft; daher muss die Einheit der Substanz als dynamische Einheit einer ursprünglichen Kraft begriffen werden, die das Wesen der Substanz als Einheit in der Mannigfaltigkeit konstituiert. Die M. bildet den Grund des materiellen Dinges und ihre Annahme als letzte Einheit ist notwendig, weil sich die Prinzipien der Dinge nicht in den Dingen selbst finden lassen.
I. Grundlegende Merkmale der M.n: (1) Sie haben weder Ausdehnung noch Gestalt, denn dies würde Teilbarkeit implizieren. (2) Sie können als Substanzen allein durch Gott geschaffen oder vernichtet werden, »während das Zusammengesetzte aus Teilen entsteht und in Teile vergeht« (Monadologie 6.). (3) Sie sind individuell: Keine M. ist mit der anderen identisch, denn »es gibt in der Natur niemals zwei Wesen, von welchen das eine vollkommen so ist wie das andere« (Monadologie 9.). (4) Als selbständige (autarke) Wesen haben sie »keine Fenster, durch die etwas hineinoder heraustreten kann« (Monadologie 7.). (5) Da die M.n keinerlei reale Wirkung aufeinander ausüben und in ihrer Gesamtheit die Wirklichkeit bilden, muss ihr Zusammenhang gewährleistet sein; dies geschieht durch die Theorie der prästabilierten Harmonie, die die Übereinstimmung und Entsprechung der einzelnen M.n aufgrund der göttlichen Vorsehung erklärt. (6) Da jede M. ein sich selbst genügender, nur aus sich selbst schöpfender Mikrokosmos ist und daher in ihrer Individualität Vollkommenheit aufweist, bildet sie etwas, das sein Ziel in sich selbst hat, d.h. eine Entelechie. (7) Die M.n repräsentieren das gesamte Universum gemäß ihren verschiedenen Stand- und Blickpunkten. Sie stellen jede für sich einen »Spiegel des Universums« dar; Leibniz betrachtet sie als je einzelne Perspektiven des göttlichen Schauens der Welt.
II. Perzeption (Vorstellen) und Appetition (Wollen): Das Wesen der M. besteht im gesetzmäßigen Durchlaufen verschiedener Perzeptionszustände. In dem ihnen immanenten Streben, von Perzeptions- zu Perzeptionszustand fortzuschreiten, erweisen sich die M.n als wesenhaft tätig. Substantialität kommt den M.n deshalb zu, weil sie im Sinne von Tätigkeit Kraftzentren sind. Das Besitzen von Kraft bedeutet unablässiges Tätigsein, das aufgrund der Abstufungen der Perzeptionen bis in den Bereich des Unbewussten gewährleistet ist. In und durch die Perzeption wird das Mannigfaltige in eine Einheit gebracht. Die Tätigkeit der M. besteht in einem Streben (appetitus), das auf die Erlangung der Vollkommenheit ausgerichtet ist; nur so kann aus der realen Welt, die ja die beste der möglichen ist, eine gute Welt werden. Da Leibniz Gott als das vollkommene Wesen denkt, heißt Streben nach Vollkommenheit auch Streben nach Gott, Teilhabe an seiner intellektuellen Klarheit und moralischen Vollkommenheit.
III. Die Monadenhierarchie: Das Reich der M.n umfasst alle M.n von Gott (monas monadum) bis zu den schlafenden M.n. Das Kriterium der Unterscheidung ist die Art der jeweiligen Perzeption, die den M.n zukommt. Gottes Perzeptionen sind klar und deutlich, die der schlafenden M.n unklar und undeutlich. M.n, die der Apperzeption (Bewusstheit der Vorstellung) fähig sind, die also »Ich« sagen können, nennt Leibniz vernünftige Seelen oder Geister. Auf der nächsttieferen Stufe folgen die distinkten Perzeptionen, die von Erinnerung begleitet sind. – Diese Hierarchie ermöglicht die Erklärung der gesamten Wirklichkeit als Monaden-Kontinuum, d.h. in der Natur geschieht alles gradweise, ohne Sprünge. Zudem gibt es zwischen der höchsten und der niedrigsten M. eine Analogie; daher unterscheiden diese sich nur graduell, nicht prinzipiell.
Literatur:
- E. Dillmann: Eine neue Darstellung der Leibnizschen Monadenlehre auf Grund der Quellen. Leipzig 1891. Nachdr. Hildesheim 1974
- G. W. Leibniz: Metaphysische Abhandlung. Hamburg 1958
- Ders.: Monadologie (frz.-dt.). Frankfurt 1962
- O. Ruf: Die Eins und die Einheit bei Leibniz. Meisenheim 1973
- H. Schepers (Hg.): G. W. Leibniz. Die Monadologie. Olms 1971.
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