Metzler Lexikon Philosophie: Pflicht
Der Begriff der P. erscheint in der Philosophie in zwei Formen: als objektive und als in subjektiver Verbindlichkeit begründete P. Die objektive Form hat ihre Vorläufer in solchen Konzeptionen, die von einem natürlichem, der vernünftigen Natur entsprechendem Verhalten ausgehen. Die Stoa weist in der Lehre des natürlichen Verhaltens diejenigen Handlungen als verpflichtend aus, die der Erhaltung und Entwicklung der menschlichen Natur dienen. Ein solches naturgemäßes Leben kann (entsprechend dem menschlichen Logos) nur als Gemeinschaftsleben vollzogen werden, so dass der P.begriff zugleich an Recht und Sitte ausgerichtet ist. Dadurch erhält P. die Konnotation »sittliche P.« – In Pufendorfs Naturrechtstheorie findet der P.begriff eine deutliche Erweiterung. Die in der göttlichen Ordnung fundierten normativen Gehalte des Rechts, der P. und des moralischen Verdienstes erhalten eine inhaltliche Ausrichtung durch die Grundregel des Solidaritätsprinzips: Jeder Mensch soll, so sehr es in seiner Macht steht, das friedliche Zusammenleben mit anderen pflegen und bewahren, in Übereinstimmung mit der Anlage und dem Ziel des ganzen Menschengeschlechts. Pufendorf erörtert in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen vollkommenen und unvollkommenen P.en: Die vollkommmenen betreffen das Sein des Menschen und der Gesellschaft insgesamt, deren Einhaltung deshalb erzwungen werden können. Dagegen dienen die unvollkommenen nur dem Gutsein der Gesellschaft, ihre Einhaltung ist nur auf freiwilliger Basis zu erreichen. Bei den unvollkommen P.en spielen kontingente Faktoren wie persönliche Umstände oder unterschiedliche individuelle Fähigkeiten eine Rolle, so dass sie letztlich nur noch als Ausübungspflichten aufgefasst werden. Eine andere wesentliche Unterscheidung stammt von Crusius: Alle natürlichen Pflichten haben nach seiner Auffassung ihre Verbindlichkeit aus dem Gehorsam gegenüber Gott – entsprechend gelten diejenigen als schlechterdings notwendig, die sich auf ein Gesetz beziehen, das dem Wesen Gottes und der vernünftigen Natur entspricht. Die hypothetisch notwendigen P.en beziehen sich auf die von den Menschen eingerichteten Ordnungen. – Kant bestimmt das praktische Gesetz als Regel für den Willen eines jeden vernünftigen Wesens. Damit es auch wirksam wird, muss es die Bestimmbarkeit des Willens durch das formelle Prinzip des Wollens überhaupt verlangen, welches zu übersetzen ist als das reine Moment der Gesetzesförmigkeit. Für den Menschen muss damit die Gesetzesförmigkeit seiner Handlungsregel zum Bestimmungsgrund des Handelns werden. Im Begriff der P. kommt zum Ausdruck, dass ein freier Wille einem unbedingten Sollen unterstellt ist.
Literatur:
- Ch. A. Crusius: Anweisung vernünftig zu leben. 1744. § 203
- I. Kant: Kritik der praktischen Vernunft. Akad.-Ausg. Bd. 5. S. 38 f. S. 48 f
- Ders.: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Akad.-Ausg. Bd. 4. S. 400 – W. Kersting: Pflicht. In: HWPh
- S. Pufendorf: De Jure Naturae et Gentium
- H. Wenzel: Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs. Berlin 1958.
PP
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