Metzler Lexikon Philosophie: Philosophiedidaktik
Didaktik (griech. didaskein: lehren) bedeutet in einem engeren Sinne »Lehrkunst«, »Lehrverfahren« (Methodik) bzw. die entsprechende theoretische Untersuchung; in einem weiteren Sinne umfasst Didaktik zusätzlich die Untersuchung der Ziele, Inhalte und Medien eines Faches. Philosophen haben zwar traditionellerweise auch über ihre eigenen Vermittlungsweisen reflektiert, etwa Platon in den sokratischen Frühdialogen, Kant in den Methodenkapiteln seiner Hauptschriften oder Hegel in seinen beiden Gutachten zum Philosophieunterricht von 1812 und 1822. Die Herausbildung der Ph. als einer eigenen Fachdisziplin aber ist erst jüngeren Datums und bisher im Unterschied zu den herkömmlichen Einzeldidaktiken institutionell kaum etabliert. Erst mit der (im Vergleich vor allem mit den romanischen Ländern) späten Einführung von Philosophie als einem Wahl- oder Wahlpflichtfach in der Reform der gymnasialen Oberstufe von 1972 ergibt sich in der Bundesrepublik Deutschland der pragmatische Zwang, für die Lehrerausbildung auch Studienanteile in Ph. anzubieten. Als Zusatzmotiv kommt die sukzessive Einrichtung des Ethikunterrichts als Ersatz- oder Alternativfach für den Religionsunterricht hinzu, vor allem in den neuen Bundesländern. Auch die weiteren Lernorte von Philosophie, wie das »Philosophieren mit Kindern«, Philosophie in der Erwachsenenbildung, in den öffentlichen Medien oder in der Wirtschaft machen verstärkt ein didaktisches Wissen und Können erforderlich, nicht zuletzt auch die hochschuldidaktische Praxis des akademischen Fachstudiums der Philosophie selbst.
Die Ph. stützt sich, analog zu den sonstigen Fachdidaktiken zum einen auf ihre spezifische Bezugsdisziplin Philosophie und die Praxiserfahrungen des Philosophierens, zum anderen auf die Allgemeine Didaktik nebst Lern- und Motivationspsychologie. Sie ist daher von ihrem Gegenstandsbereich her interdisziplinär ausgerichtet. Die inhaltliche Konstituierung der Ph. als einer eigenen Fachdisziplin hängt jedoch von der jeweiligen Auffassung von Philosophie und Didaktik ab.
So hat beispielsweise die Analytische Philosophie in Kombination mit einer Theorie effektiven Lernens weniger Probleme mit der Lehr- und Lernbarkeit von Philosophie als die Existenzphilosophie in Verbindung mit einer Theorie reflexiver Bildungsprozesse. Auch die Eigenständigkeit einer Ph. stellt sich dementsprechend unterschiedlich dar. Für eine ohnehin selbstreflexive Philosophie kann Didaktik als überflüssig erscheinen, gestützt durch die Vorstellung des »pädagogischen Naturtalents«; für eine Philosophie als Inbegriff von Sätzen oder Systemen der Tradition oder analytischer Provenienz kann Didaktik ferner als nachträgliche Anwendungstechnik (Methodik) nützlich oder als simplifizierende Verkaufstechnik schädlich sein.
Ph. ist aber weder überflüssig für die sowieso reflexive Philosophie noch eine bloß nachträgliche, nur simplifizierende Anwendung einer fest umrissenen, vorliegenden Philosophie mit Hilfe der üblichen pädagogischen Mittel. Im Hinblick auf die praktische Unterrichtsarbeit (nicht nur) an der Schule muss vielmehr geklärt werden, welche Ziele, Inhalte und Methoden aus dem breiten Feld von Tradition und Forschung der Philosophie vermittelt werden sollen und wie sie praktischpädagogisch vermittelt werden können. Aufgabe des schulischen Unterrichts ist, das natürliche Philosophieren der Kinder und Jugendlichen mit Hilfe der akademischen Philosophie zu einem fruchtbaren Prozess des elementaren Philosophierens zu verbessern. Dabei erhält besonders die methodische Seite des Philosophierens ein starkes Gewicht, und dies als Verknüpfung vor allem des phänomenologischen, hermeneutischen, analytischen, dialektischen und spekulativ-kreativen Philosophierens. Ziel ist das Philosophieren als elementare Kulturtechnik, über die analog zum Lesen, Schreiben und Rechnen die gebildete Persönlichkeit und der selbstverantwortliche Bürger der wissenschaftlich-technischen, globalen Moderne verfügen sollte.
Literatur:
- E. Martens: Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts. Philosophieren als elementare Kulturtechnik. Hannover 2003
- Ders.: Philosophieren mit Kindern. Stuttgart 1999
- J. Rohbeck (Hg.): Ethisch-philosophische Basiskompetenz. Dresden 2004
- V. Steenblock: Philosophische Bildung. Münster 32006
- H. Hastedt/E. Martens/J. Rohbeck/V. Steenblock (Hg.): Praxishandbücher Philosophie/Ethik. 4 Bde. Hannover 2003 f
- Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik. 1979 ff
- Ethik & Unterricht. 1990 ff.
EM
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