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Metzler Lexikon Philosophie: Protestantismus

sowohl ein konfessionskundlicher, als auch ein kulturgeschichtlicher Begriff. Als konfessionskundlicher Sammelbegriff steht P. für alle Kirchen und religiösen Gemeinschaften, die ihre Wurzeln in der Reformation des 16. Jh. sehen. Er umfasst heute u. a. folgende Kirchen: evangelisch lutherische, reformierte und unierte Kirchen, die Kirchen der Methodisten, Baptisten, Kongregationalisten und Presbyterianer. Die anglikanischen Kirchen zählen sich teils zum P., teils zum Katholizismus. »Protestantisch« betont außerhalb des ökumenisch/religiösen Dialogs häufig weniger eine Kirchenzugehörigkeit, als vielmehr eine »geistige« Haltung (z.B. den Anspruch auf Mündigkeit, verbunden mit Autonomie des eigenen Gewissens, ein bestimmtes Arbeitsethos, ein Gebundensein an die Forderung der Vernunft usw.). Das kulturgeschichtliche Phänomen des P. gehört zum Bildungsbürgertum. Zu ihm zählen viele Philosophen der Aufklärung und des Idealismus, z.B. Leibniz, Locke, Kant und Hegel, sowie Herder und Schleiermacher als Theologen. Das Adjektiv »evangelisch« wird eher im Zusammenhang mit der Konfessionszugehörigkeit verwendet und betont häufig die alleinige Orientierung am Evangelium. Zunächst war der Name »Protestanten« eine negative Fremdbezeichnung für die Gruppe von Fürsten und Städtevertretern, die auf dem 2. Reichstag zu Speyer 1529 gegen den Majoritätsbeschluss der Altgläubigen zur Durchführung des Wormser Ediktes protestierten. Bis heute wird häufig mit dem Begriff P. eine Abwehr von Fremdbestimmung in Glaubensdingen, politische Aktivität, und eine antirömische Haltung verbunden. Ausgehend von den Reformatoren Luther in Wittenberg, Zwingli in Zürich und Calvin in Genf entstanden an verschiedenen Zentren in Europa reformatorische Bewegungen. Aus ihnen gingen voneinander unabhängige Kirchen und Gemeinschaften hervor, mit jeweils eigener Prägung. Folgende Charakteristika sind den meisten oder allen von ihnen, je nach Weite des Begriffs P., gemeinsam: Der Protestant ist nur an die Schrift, sein Gewissen und seine Vernunft gebunden. Nur die Schrift (NT, AT) darf absolute Autorität als Offenbarung Gottes beanspruchen, es gibt weder den autoritativen Anspruch der kirchlichen Tradition, noch ein autoritatives Lehramt (Schriftautorität, Formalprinzip). Die Autorität der Schrift muss aber keine gesetzliche Bindung an den Wortlaut bedeuten. Seit dem 19. Jh. werden bei der Schriftauslegung meist die Erkenntnisse der historisch-kritischen Methode vorausgesetzt (nicht z.B. im Pietismus). Die Heilsvermittlung geschieht allein aus der Gnade Gottes. Die Rechtfertigung des Menschen vor Gott und durch Gott geschieht allein im Glauben. Er ist die einzig mögliche Antwort auf die Gnade Gottes, jedoch theologisch gesehen kein Werk des Menschen, sondern ein Geschenk Gottes (Rechtfertigungslehre, Materialprinzip). Luther: »Ich gläube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christ, meinen Herrn, gläuben oder zu ihm kommen kann, ...« (Kleiner Katechismus, der Glaube, 3. Art.). Gute Werke haben in Hinblick auf die Erlösung, das Seelenheil keinen Nutzen. Im Verhältnis zum Mitmenschen gehören die guten Werke notwendig zum Glauben. Es gibt keine Mittlerschaft durch die Kirche, Heilige oder das Messopfer. Die Kirche hat auch kein ethisches Mittleramt. Der Protestant ist in allem, auch in seinem Handeln, über sein Gewissen direkt an Christus gebunden. Kirchliche Verlautbarungen sind immer menschlich, zeitgebunden und somit im Glauben nicht verpflichtend. Die wahre Kirche ist geistlich und als Gemeinschaft der Gläubigen nicht mit der irdischen Kirche identisch. Grundsätzlich besitzt jeder Christ die gleiche Vollmacht Wort und Sakrament weiterzugeben, wenn er sich auch die Zustimmung der Gemeinschaft, bzw. seines Vorgesetzten holen muss (Allgemeines Priestertum der Gläubigen). Typisch ist zudem im Gegensatz zum Katholizismus eine geringere Betonung des Sakramentalen zugunsten des Wortes.

Literatur:

  • F. W. Graf/K. Tanner: Protestantische Identität heute. Gütersloh 1992
  • W. Huber: Protestantismus und Protest. München 1991
  • T. Rendtorff: Vielspältiges. Protestantische Beiträge zur ethischen Kultur. Stuttgart 1991
  • P. Tillich: Der Protestantismus als Kritik und Gestaltung. Stuttgart 1962 (Ges. Werke Bd. VII).

DL

  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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