Metzler Lexikon Philosophie: Referenz
(auch: Bezug, Bezugnahme, Denotation), i.e.S. die Beziehung zwischen einem singulären Terminus (einem Eigennamen, einer Kennzeichnung oder einem indexikalischen Ausdruck) und dem damit bezeichneten Gegenstand (Referenzobjekt, Denotat). Häufig wird auch die Beziehung eines Prädikats zu der ihm zugeordneten Menge von Gegenständen als »R.« bezeichnet. Man kann R. dann allgemein als die Beziehung eines sprachlichen Ausdrucks zu seiner Extension definieren und von seiner Bedeutung (Intension/Extension; Frege: »Sinn«; engl. meaning) unterscheiden. Umstritten ist, ob die Beziehung eines ganzen Aussagesatzes zu einer entsprechenden Tatsache oder Situation bzw. zu einem Wahrheitwert (Frege) ebenfalls als R. betrachtet werden kann. Die Frage, auf welchen sprachlichen Mechanismen die R. von Ausdrücken beruht und um welche Art von Beziehung zu den bezeichneten Gegenständen es sich dabei handelt, ist eines der zentralen Themen der sprachanalytischen Philosophie des 20. Jh., bei dem es letztlich um den Zusammenhang zwischen Denken, Sprache und außersprachlicher Wirklichkeit geht. – Die verschiedenen Beiträge zu einer Theorie der R. lassen sich idealisierend auf drei Grundpositionen zurückführen:
(1) Den Kennzeichnungs- oder Merkmalstheorien der R. (z.B. Frege, Russell) zufolge ist die R. eines Ausdrucks abhängig von seiner Bedeutung: Ein singulärer Terminus (S) referiert auf einen Gegenstand (O), wenn zur Bedeutung von S die Angabe von Merkmalen gehört, die auf O und nur auf O zutreffen (Analoges gilt für die Extension von Prädikaten). Klassisch ist Russells Analyse von Kennzeichnungen: »Der deutsche Kanzler« bezieht sich auf einen bestimmten Politiker, wenn es genau einen Gegenstand gibt, auf den das Prädikat »ist deutscher Kanzler« zutrifft. Die R. der wichtigsten indexikalischen Ausdrücke sowie von nicht weiter analysierbaren Prädikaten lässt sich auf diese Weise allerdings nicht erklären. Außerdem ergeben sich paradoxe Konsequenzen: Gehört es zur referenzfestlegenden Bedeutung des Namens »Aristoteles«, dass es sich um den Lehrer Alexanders handelt, so ist »Aristoteles war der Lehrer Alexanders« ein analytisch wahrer Satz. Dieses Problem vermeidet die Bündeltheorie der R. (z.B. Searle): Danach besteht die Bedeutung referierender Ausdrücke in einem Bündel (cluster) von Merkmalen, von denen jedoch nicht unbedingt alle auf einen bestimmten Gegenstand zutreffen müssen, um die R. festzulegen. – Ebenfalls zu den Kennzeichnungstheorien zu rechnen ist die sprachpragmatisch orientierte Auffassung, dass der R. eines singulären Terminus die Handlung des Referierens (durch den Gebrauch dieses Terms als Teil einer prädikativen Aussage) zugrundeliegt. Ein Sprecher referiert auf einen bestimmten Gegenstand, indem er ihn für sein Publikum identitifiziert, d.h. indem er zu verstehen gibt, von welchem Gegenstand die Rede ist. Dafür ist die raum-zeitliche Lokalisierung des Referenzobjekts grundlegend (z.B. Strawson, Tugendhat).
(2) Der kausalen oder historischen Theorie der R. zufolge wird die R. eines Ausdrucks nicht durch dessen Bedeutung, sondern unmittelbar durch einen ursprünglichen Taufakt festgelegt, bei dem ein Name mit einem bestimmten Gegenstand oder ein Prädikat mit einem paradigmatischen Exemplar der relevanten Menge verknüpft wird (z.B. Kripke, Putnam). Diese Verbindung wird mit den späteren Verwendungen des Ausdrucks tradiert. So referiert z.B. ein Name auf denjenigen Gegenstand, mit dem er durch eine ununterbrochene Kette von Verwendungen, bis zurück zu einem Taufakt, kausal verbunden ist. Anders als bei Kennzeichnungstheorien kann der kausalen Theorie zufolge die R. eines Ausdrucks auch dann gleich bleiben, wenn seine Bedeutung und die mit ihm verbundenen Merkmale sich ändern. Umstritten ist allerdings, ob sich die für die R. konstitutive Kausalkette in einem rein physikalistischen Vokabular beschreiben lässt.
(3) Quines These der Unerforschlichkeit der R. zufolge ist die R. eines Ausdrucks abhängig von der Wahl eines Übersetzungsmanuals (z.B. Wörterbuch): Ob das Wort »gavagai« einer Dschungelsprache auf Hasen, unabgeschnittene Hasenteile oder auf etwas ganz anderes referiert, liegt unabhängig von der Entscheidung für eine bestimmte Übersetzung nicht fest. Da es Quines berühmtem Argument für die Unbestimmtheit der Übersetzung zufolge zu jeder Übersetzung zulässige Alternativen gibt, verfügt kein einzelner Ausdruck über eine eindeutige R.; nur bestimmte beobachtungsnahe Sätze stehen als ganze in einer eindeutigen Beziehung zur außersprachlichen Wirklichkeit. Wie auch der Bedeutungsbegriff spielt der Begriff der R. Quine zufolge daher in einer wissenschaftlichen Bescheibung der Welt keine Rolle.
Literatur:
- G. Evans: The Varieties of Reference. Oxford 1982
- W. Kellerwessel: Referenztheorien in der analytischen Philosophie. Stuttgart-Bad Cannstatt 1995
- Ders. (Hg.): A Bibliography on Reference and Some Related Topics in Analytical Philosophy. Frankfurt 1996
- A. Newen: Kontext, Referenz und Bedeutung. Paderborn u. a. 1996
- U. Wolf (Hg.): Eigennamen. Frankfurt 1985.
MW
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