Metzler Lexikon Philosophie: Relativ, Relativität, Relativismus
Etwas (z.B. Gegenstände, Wertungen, Erkenntnisse) wird als relativ (im Gegensatz zu absolut) bezeichnet, wenn es hinsichtlich eines bestimmten Gesichtspunktes nur durch Bezugnahme auf etwas anderes bestimmt werden kann. In dieser Bezogenheit liegt seine Relativität. Die Ablehnung eines Absoluten kennzeichnet die Auffassung des Relativismus, nach dem Sein und Geltung von etwas von den Erfahrungs- und Erkenntnisbedingungen eines oder mehrerer Subjekte abhängen.
Der Relativismus tritt u. a. als Subjektivismus (z.B. bei Protagoras), als Historismus (Heidegger, Gadamer) und als Kontextualismus (Wittgenstein, Rorty) auf. Der ontologische R., nach dem die Existenz von Dingen nur als Existenz für ein Subjekt zu denken sei, findet seine mentalistische Ausprägung bei Berkeley, der die Existenz von Dingen auf ihr Wahrgenommensein zurückführt: »Esse est percipi«. Die im 19. Jh. einsetzende Entdeckung der Sprachlichkeit des Denkens und dessen Eingebundenheit in reale Sprachgemeinschaften sowie die moderne Einsicht in die Geschichtlichkeit und Kulturverhaftetheit subjektiver Erkenntnisbedingungen haben größtenteils zu einer skeptischen Bewertung der Idee absoluter Gültigkeit geführt. Quine und Whorf gelten als Hauptvertreter eines linguistischen R.: Alles, was Bezugsobjekt der Rede werden kann, sei durch das jeweilige sprachliche Begriffssystem vorgezeichnet, wobei entsprechend dem »linguistischen Relativitäts-Prinzip« die Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Sprachsysteme zu unterstellen sei. Ähnlich behauptet Goodman die mögliche Wahrheit mehrerer einander widersprechender »Weisen der Welterzeugung«. Der wissenschaftstheoretische R., der den Gedanken allgemeingültiger Wahrheit vollends aufgibt, ist seit Th. Kuhns These des R. wissenschaftlicher Paradigmata in Mode gekommen. Gleichfalls hat ein ethischer R. (Gadamer, Rorty, Lyotard) um sich gegriffen. Da die normative Verbindlichkeit moralischer Normen von ihrem faktischen Anerkanntsein abhänge, könne keine Norm eine über die geschichtliche und kulturelle Faktizität hinausgehende, absolute Gültigkeit beanspruchen. Konsequenterweise dürfte daher auch nicht für die Menschenrechte universale Geltung beanprucht werden.
Die Widerlegung des R. stützt sich auf den Nachweis seiner Selbstwidersprüchlichkeit. So hat etwa die Transzendentalpragmatik die Sinnlosigkeit des uneingeschränkten R. daraus abgeleitet, dass er sich selbst nicht ohne Selbstwiderspruch als gültig behaupten kann.
Literatur:
- K.-O. Apel: Die Herausforderung der totalen Vernunftkritik und das Programm einer philosophischen Theorie der Rationalitätstypen. In: Concordia 11 (1987). S. 2–23
- D. Böhler: Die deutsche Zerstörung des politisch-ethischen Universalismus. Über die Gefahr des – heute (post-)modernen – Relativismus und Dezisionismus. In: Forum für Philosophie Bad Homburg (Hg.): Zerstörung des moralischen Selbstbewußtseins. Frankfurt 1988. S. 166–216
- N. Goodman: Weisen der Welterzeugung. Frankfurt 1984
- J. Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne. Frankfurt 1985
- M. J. Herskovits: Cultural Relativism. New York 1973
- Th. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt 1962
- J. Ladd (Hg.): Ethical Relativism. Belmont/Cal. 1973. W. V. O. Quine: Ontologische Relativität und andere Schriften. Stuttgart 1975
- H. Schnädelbach: Relativismus: In: J. Speck (Hg.): Handbuch wissenschaftstheoretischer Grundbegriffe. Bd. 3. Göttingen 1980. S. 556–560
- B. L. Whorf: Sprache – Denken – Wirklichkeit. Reinbek 1963.
HGR
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